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Europa muss endlich in der Flüchtlingsfrage einig werden

Von Andreas Raffeiner

Gastkommentare

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Wie heißt es so schön? Wer eine Brücke sieht, wird keineswegs durch den reißenden und tobenden Bach waten und den Sprung über die tiefe Schlucht wagen. Doch wenn man Europa ansieht, ist gegenwärtig von einer menschlichen Brücke nichts zu sehen. Hilflose und entkräftete Flüchtlinge, die alles, was ihnen lieb und heilig ist, zurücklassen mussten, suchen ein menschenwürdiges Leben, einen Strohhalm, einen Halt und eine sichere Zukunft fernab von Krieg, Verfolgung und Terror. Und die sichere Zukunft heißt für sie Europa.

Doch sind wir Europäer nicht selbst schuld am Dilemma? Zahlreiche Staaten unterstützen die "Weltpolizei" USA bei ihren kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt. Nur wenn wir die Waffenlobbyisten und alle, die dahinterstecken, mit Geld und Munition unterstützen, tragen wir dafür Sorge, dass auf einem anderen Teil der Erde Gewalt, Hass, Krieg und andere negativ besetzte Worte das Tagesgeschehen dominieren und andersrum leidgeprüfte Menschen, die im Frieden und nicht im Interessenskonflikt von Konzernen, Machtkalkül gewisser Schichten und Religionsgruppierungen zur Flucht verleiten.

Den Schlepperbanden ihr teuflisches Handwerk legen

Kann Europa diese schmale Brücke bieten? Wenn im Augenblick die Formel von der Sicherung der Außengrenzen abgewogen oder heruntergebetet wird, kann man den Fluchtweg keinesfalls mehr sehen und von ihm schon gar nicht reden. Das teuflische und aufs Schärfste zu verurteilende Handwerk der Schlepperbanden und das Sterben auf dem offenen Meer können und müssen rasch beendet werden. Dazu muss man aber auch einen legitimen Weg in den Zufluchtsort Europa anbieten. Das augenscheinliche und auch wirklichkeitsnahe Bild täuscht: verzweifelte Politiker hier, verzweifelte Flüchtlinge dort.

Die Gefahr ist mehr als nur groß, dass die Menschenhändler noch mehr kassieren. Auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft gewinnen nur sie. Barmherzigkeit und Menschlichkeit werden kleingeschrieben, die viel zitierte und immer wieder aufs Neue ins Spiel gebrachte "europäische Lösung" in Form der Einigkeit steht noch aus.

In der Zwischenzeit geht der Exodus der Flüchtlinge weiter. Und wenn die Balkanroute gesperrt wird, dann werden die Menschen halt von woanders herkommen. Migrationsströme hat es im Laufe der Weltgeschichte immer wieder gegeben. Die Gründe dafür, von einem in ein anderes Land zu ziehen, waren immer unterschiedlich. Und man kann gewiss sein: Diese "hausgemachte" Krise hat ein anderes Gesicht, und morgen wird es andere Tendenzen der Migration geben.

Europas helfende Hand muss nun dringender denn je ausgestreckt werden, Zusammengehörigkeitsgefühl und Mitmenschlichkeit müssen so schnell als irgendwie möglich Überhand gewinnen. Man kann nicht immer nur zuwarten.

Billige Übereinstimmungen sind nicht zu tolerieren, Politik auf Kosten der Flüchtlinge auch nicht. Sonst versinken alle in den tobenden und reißenden Fluten des am Anfang erwähnten Baches. Das sind in erster Linie die Menschen und das Friedensprojekt Europa auch.