Wien - Nach fast zwei Jahren mühsamer Aufbauarbeit ist es nun endlich soweit: Am Freitag wird die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien eröffnet. An der Einweihungsfeier der ersten in Österreich angesiedelten EU-Behörde in der Wiener Hofburg nehmen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und die Präsidentin des Europaparlaments, Nicole Fontaine, teil. Das Gastgeberland Österreich wird offiziell durch Bundespräsident Thomas Klestil vertreten sein. Auch Nationalratspräsident Heinz Fischer meldete sein Kommen an. Regierungsmitglieder wurden nicht eingeladen.
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"Wir sind in Europa in einer Situation, in der deutlich wird, wie wichtig es ist, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf allen Ebenen und in allen Mitgliedsstaaten zu bekämpfen", erklärte die Direktorin der Beobachtungsstelle, Beate Winkler in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Dass der Fremdenhass stetig wächst, belegen entsprechende Umfragen. In Frankreich etwa bekennen sich 69 der Bevölkerung offen dazu, rassistische Gefühle zu hegen.
Übergriffe auf Schwarzafrikaner zählen mittlerweile überall in Europa zum traurigen Alltag. Selbst in Schweden, das bis vor einigen Jahren noch als weitgehend immun gegen rassistische Auswüchse galt, muss die Regierung inzwischen mit außer Rand und Band geratenen, "Heil Hitler" brüllenden Neonazi-Formationen fertig werden. In Spanien löste ein von einem marokkanischen Einwanderer verübter Mord an einer jungen Frau eine regelrechte Prügeljagd gegen die Einwanderer aus.
"Netzwerke des Wissens"
Diesen Phänomenen will die Beobachtungsstelle durch Aufklärung und Information vehement entgegentreten. "Unsere Aufgabe ist es, europaweit Daten zu sammeln, zu analysieren und vor allem Strategien gegen Fremdenfeindlichkeit zu entwickeln", umreisst Beate Winkler die Ziele der Behörde.
Um alle rassismus-relevanten Daten zu bündeln und für die EU-Mitgliedsländer zugänglich zu machen, arbeitet die EUMC gegenwärtig ein elektronisches Informationsnetz aus. Die von staatlichen Stellen, Nichtregierungsorganisationen und Forschungseinrichtungen erhobenen Daten werden in ein zentrales Computernetz gespeist und analysiert. Die Festlegung gewisser Indikatoren soll gewährleisten, dass die Daten untereinander auch möglichst kompatibel sind: Äpfel sind nicht gleich Birnen. In Ausarbeitung ist darüber hinaus ein öffentlich zugänglicher Dokumentationsfonds. In Österreich ist in das Projekt das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) eingebunden.
Round Tables
Die Abhaltung sogenannter "round tables" in den einzelnen EU-Mitgliedsländern gehört zum zweiten Schwerpunktprogramm des EUMC. Hier sollen Vertreter aus den Bereichen Politik, Medien, Bildung sowie Menschenrechtsorganisationen und Berufsverbände mit den Mitgliedern der Beobachtungsstelle gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie man ein Miteinander der verschiedenen Kulturen im Bewusstsein der Gesellschaft verankern kann. In Österreich fand das erste Diskussionsforum dieser Art bereits im Oktober 1998 statt. Ziel: ein Maßnahmenkatalog gegen die auch hier zu Lande zunehmende Ausländerfeindlichkeit. Österreich gehört aber nicht zu den Spitzenreitern in Sachen Fremdenhass, fügt die durch die Vorbereitung der Eröffungsfeier sichtlich gestresste EUMC-Direktorin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" hinzu.
Mit dem Begriff "Beobachtungsstelle" ist sie auf Grund der praxisorientierten Ausrichtung ihrer Arbeit nicht sehr glücklich. "Beobachten - das ist zu wenig. Wir müssen aktiv sein. Unsere Aufgabe ist es, Gegenstrategien gegen die rassistischen Tendenzen in Europa zu schaffen." Dazu zählt die Implementierung der "Charta der europäischen Parteien für eine nicht-rassistische Gesellschaft", die mittlerweile von 80 Parteien in Europa - in Österreich von der SPÖ, den Grünen und dem Liberalen Forum - unterzeichnet wurden. Das Prinzip der Charta, die auf eine Initiative des niederländischen Verwaltungsratsmitgliedes von EUMC, Ed van Thijn, zurückgeht, ist einfach: Keine Koalition mit einer Partei, die fremdenfeindlich ist. "ÖVP und FPÖ haben nicht unterschrieben", bedauert Beate Winkler, die nicht glaubt, dass sich das in nächster Zeit ändern wird. "Das geht (für die ÖVP) ja jetzt auch schwer, ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit".
Schwierige Einladungsdiplomatie
Wegen des EU-Boykotts gegen die österreichische Koalitions-regierung musste die Konzeption für die Einweihungsfeier gänzlich umgekrempelt werden. Auch die Gästeliste sieht anders aus als eigentlich geplant: statt EU-Regierungsvertreter sind nur die Staatsoberhäupter geladen. Bundespräsident Klestil vertritt an Stelle von Kanzler Wolfgang Schüssel offiziell das Gastland Österreich.
Von Seiten der Bundesregierung kündigte, sehr zur Überraschung der Beobachtungsstelle, Außenministerin Ferrero-Waldner ihr Kommen an. Mitglieder der österreichischen Regierung seien nicht eingeladen, hieß es dazu gestern erneut aus der Rahlgasse. Auch beim Eröffnungsprogramm haben sich die Akzente verschoben: Im Rahmen der Festivitäten findet in der Wiener Hofburg ab morgen eine zweitägige internationale Konferenz zum Thema "Politik und Rassismus" statt. Das Gesprächsforum sollte ursprünglich nur als Begleitprogramm zur eigentlichen Inaugurationsfeier fungieren, rückte nun aber in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Teilnehmer sind u.a. Thomas Klestil, Romano Prodi, der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Jean Kahn sowie Anton Pelinka, Mitglied des EUMC-Exekutivausschusses.
Es kommt auch eine starke Delegation des EU-Parlaments. Die Teilnahme von SPÖ-Delegationsleiter Hannes Swoboda, gilt als sicher.