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Europa muss Verantwortung übernehmen

Von Karl Aiginger

Gastkommentare
Karl Aiginger ist Direktor der Europa-Plattform (www.querdenkereuropa.at) und lehrt an der WU Wien. Er ist Autor von Europa-Projekten, Mitglied des ForumFuture-Teams und der Schumpeter-Gesellschaft.
© Eric Kruegl

Unser Umfeld ändert sich mit großem Tempo. Es gilt nach vorne zu schauen.


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Die Sowjetunion ist zerfallen. Russland sieht, dass es die Reste nicht zusammenhalten kann, und hat einen Eroberungskrieg begonnen: zuerst nur die Krim, dann Weißrussland, schließlich die "Spezialoperation" in der Ukraine. Die USA wollten die einzig verbleibende Supermacht sein, schaffen das aber nicht; weil einerseits "zu Hause" große Spaltungen zwischen Donald Trump und den Gemäßigten entstanden sind, und weil zweitens die von ihnen "geretteten" Länder alle die Eingriffe gespürt haben, aber nie einen Frieden nachher, wie Syrien, Libyen und Afghanistan zeigen. Die USA bietet Waffen, aber kein Vorbild und keinen Frieden. China will wieder Nummer eins werden als sozialistische Weltmacht, es baut (Seiden-)Straßen und Tunnels. Man erkennt zunehmend, dass dies primär zum eignen Vorteil passiert. Indien und Brasilien werden stärker, mit Nationalisten an der Führung - auch kein Vorteil.

Das alte Europa bekommen wir nicht zurück

Viele alte Spannungen sind vorbei, Deutschland und Frankreich nähern sich an, Ost versus West gibt es nicht mehr, Nordeuropa gegen den Süden auch nicht. Unterschiede bleiben, aber die Kluft zwischen den Schweden und den Griechen wird kleiner, die baltischen Staaten sind anders, der Westbalkan ist auf einem Friedenskurs, wartet aber auf ein Datum für die Mitgliedschaft in der EU.

Neue Spannungen entstehen durch Populismus, sei es in Frankreich, wo Marie Le Pen zwar nicht zur Macht gekommen ist, aber vieles verhindert, in Italien, wo nicht der verurteilte Silvio Berlusconi die Wahl gewinnen dürfte, aber die beredte Giorgia Meloni, oder in Ungarn, wo Viktor Orban ohne Mehrheit beim Volk satte Mehrheiten im Parlament hat und Gerichte und Presse besetzt. Die siegreichen nationalistischen Schwedendemokraten agitieren gegen Einwanderung. Andere Populisten wollen klammheimlich die EU verlassen und murmeln, dass es Klimaänderungen schon immer gegeben habe. Rechte verlassen im Parlament den Saal, wenn die Präsidentin spricht.

Dennoch: Wenn man EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, vielen EU-Kommissare und Parlamentariern (auch aus Österreich) zuhört, so sind diese zukunftsorientierter als die USA und China. Im Krieg gegen die Ukraine ist Europa geeint. Wie der Ökonom Joseph Schumpeter schon sagte: Aus der Disruption entsteht Fortschritt. Europa ist am besten, wenn es eine Krise gibt. Die EU kämpft nicht mit Militär und Waffen, sondern versucht einen Green Deal. Gemeinsame Strategien gegen die Energiekrise werden gesucht, auch wenn das alles langsam und zögerlich vonstattengeht.

Leider gibt es aber auch Rückfälle. AKW länger laufen zu lassen und Kohlekraftwerke wieder aufzusperren, ist Unsinn; schließlich hat die Atomenergie versagt, weil die Endlagerung nicht geklärt ist und die Kühlung bei Wassermangel nicht funktioniert. Ein Großteil der französischen Meiler ist außer Betrieb, ein neues gefördertes Hinkley Point braucht Jahrzehnte. In der Zwischenzeit sollte der Energieverbrauch stark sinken; es gibt so viele Flächen, wo Wind und Sonne genutzt werden könnten.

Wer kann die Welt partnerschaftlich führen?

Es entsteht eine neue Weltordnung, ohne die UdSSR und China als autoritäre Führer, ohne die USA als "Friedensbringer" mit Rassismus und Waffentragen an Schulen. In dieser neuen Weltordnung könnte Europa eine wichtige Rolle spielen, wenn es vorausschaut, weiter Frieden statt Waffen verbreitet, der Ukraine im Krieg beisteht und nachher einem Marshall-Plan finanziert. Bisherige Ausgaben in die falsche Richtung müssen reduziert werden, damit unsere Unternehmen stark bleiben, Geld für erneuerbare Energie und Einsparungen haben.

Ganz wichtig ist für Europa, sich neue Partner zu suchen, etwa in Nahost oder Nordafrika. Mit diesen ist es kein "failed project" und nicht klein, sondern stark. Europa hat eine steigende Lebenserwartung und führend bei der - wie immer unvollkommen - Demokratie. Europa kann und muss in der neuen Weltordnung eine positive Rolle spielen, seinen Nachbarn alles anbieten (nicht aufdrängen) und mit ihnen lernen; nicht geizig, aber zukunftsorientiert.