Neben den Fragen des künftigen EU-Haushaltes wird sich der Gipfel am 16. Juni auch damit beschäftigen, wie es mit der EU-Verfassung weiter gehen soll. Das EU-Parlament hat sich für eine Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses ausgesprochen - allerdings erst nach einer Pause, wie Parlamentspräsident Josep Borrell die unterschiedlichen Ansätze zusammenfasste.
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Hans-Gert Pöttering, Fraktionschef der Konservativen im Europa-Parlament, meinte in der Debatte, "es gibt keine sofortige Lösung. Vielleicht sollten die Referenden eine Zeitlang aufgeschoben werden, damit nach einer Denkpause die richtige Lösung gefunden werden kann". Martin Schulz von den Sozialdemokraten plädierte hingegen für eine Fortsetzung des Prozesses, räumte allerdings ein, dass seine Fraktion in dieser Frage gespalten sei. Während euroskeptische Parlamentsmitglieder die Verfassung schon für tot erklärten, wandte sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso gegen diese Ansicht: Es wäre falsch, "die ganze Angelegenheit sofort aufzugeben", meinte er, rief aber gleichzeitig dazu auf, "die Voraussetzungen für einen neuen politische Konsens zu schaffen."
Wie Barroso ist auch Karl Georg Doutlik, Vertreter der EU-Kommission in Österreich, davon überzeugt, dass die Ablehnung der EU-Verfassung durch die Franzosen und Niederländer eine Revanche der Bürger für die nationale Politik war. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" am Rande des 55. Städtetags in Salzburg meinte er, gleichzeitig sei bei den Referenden auch dem Unmut über den Euro, die Erweiterung, den möglichen Türkei-Beitritt sowie die Dienstleistungsrichtlinie Ausdruck verliehen worden.
Nach dem negativen Ausgang der Referenden sei es notwendig neue Wege zu beschreiten, meint Doutlik.
"Wir müssen sobald als möglich in die Diskussion über die Finalität von Europa einsteigen." Dabei gehe es nicht nur darum, das Ende der Erweiterungsrunden zu bestimmen, sondern auch die Vertiefung der Beziehungen zu hinterfragen. Die Ergebnisse der Beratungen - die nächsten sollen beim nächsten EU-Rat am 16. Juni stattfinden - müssten die Regierungen ihren Bürgern näher bringen und nicht wie bisher als Diktate aus Brüssel verkaufen. "In Wahrheit kommen aus Brüssel nur Vorschläge, tatsächlich werden die Beschlüsse von den Staaten gefällt. Aber zu Hause wollen sie davon nichts mehr wissen," kritisiert Doutlik.
Die letzte Erweiterungsrunde sei für viele zu rasch durchgezogen worden, zeigt sich der Kommissionsvertreter einsichtig. Trotz allem sei der Schritt notwendig gewesen.
Doutlik: Erweiterung ist schlecht verkauft worden
Die nächste Erweiterungsrunde mit Rumänien und Bulgarien hält er für einen wichtigen Schritt, bei dem es abermals verabsäumt wurde, ihn mit den richtigen Argumenten zu verkaufen. Denn die Frage lautet: Wollen wir weitere Massen an Flüchtlingen oder Zuwanderer aufnehmen? Falls nicht, so Doutlik, sei die Aufnahme dieser Länder in die EU der einzige Ausweg.
Denn nur so würde in armen, unterentwickelten Regionen eine Perspektive auf Wohlstand entstehen. "Wenn die Menschen ihren Lebensunterhalt in Rumänien verdienen können, müssen sie nicht mehr in den Westen kommen, um sich zu bedienen." Doch dies wurde von den nationalen Regierungen niemals kommuniziert.
Doutlik ist überzeugt, dass die EU-Verfassung deshalb abgelehnt wurde, weil die darin enthaltenen Fortschritte von den Regierungen nicht gut genug verkauft wurden. "Der Ausgang der Referenden macht mich traurig."
Er gesteht auch ein, dass der Beitrag der EU-Vertretungen unzureichend war: "Wir müssen uns selbst bei der Nase nehmen. Aber wir sind auf verlorenem Posten, wenn uns die nationalen Vertreter im Stich lassen."
Den Bürgern fehle das Wissen über die Union, deshalb müssten die Institutionen an die Öffentlichkeit. Dazu sei aber ein Schulterschluss aller Verantwortlichen - Minister, Sozialpartner, Landeshauptleute und Bürgermeister - notwendig. "Der nationale Konsens muss lauten: Europa ist uns allen ein Anliegen."