Die Auswirkungen von Hochschulreformen in den Niederlanden, Deutschland, Finnland, der Schweiz, Slowenien und Ungarn hat das Bildungsministerium diese Woche in Wien im Rahmen der Tagung "Modern studieren und forschen in Österreich. Auswirkungen europäischer Universitätsreformen" der heimischen Uniszene vorgestellt.
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Mit der Ankündigung, die Universitäten bis 2002 in die Vollrechtsfähigkeit zu entlassen, hat sich die Regierung unter enormen Zugzwang gebracht. Nicht alle universitären Akteure sind von der in Aussicht gestellten erweiterten Autonomie begeistert, viele fürchten, dass der Staat sich aus seiner hochschulpolitischen Verantwortung zurückziehen will und eine schleichende Privatisierung des österreichischen Hochschulsystems betreibt. Dazu kommt, dass die Ausgliederung der Universitäten mit einem neuen Dienstrecht verknüpft wird. Das vom Bildungsministerium in einem ersten Diskussionsentwurf vorgestellte "Vier-Säulen-Modell" hat beim akademischen Personal ganz allgemein, vor allem aber beim wissenschaftlichen Nachwuchs für erhebliche Aufregung gesorgt und einen Großteil der Aufmerksamkeit absorbiert.
Mit einer Tagung zum Thema "Modern Studieren und Forschen in Österreich. Auswirkungen europäischer Universitätsreformen" (26. März im MAK) hat das Bildungsministerium versucht, in der heimischen Uniszene für seine Reformziele zu werben und sich zugleich Anregungen aus anderen europäischen Ländern zu holen. Vorgestellt wurden aktuelle Hochschulreformen aus Deutschland (Niedersachsen), Finnland, den Niederlanden, der Schweiz, Slowenien und Ungarn.
Der Staat beschränkt sich auf Zielvorgaben
Wie ein roter Faden zog sich durch alle Referate der Hinweis auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Organisation europäischer Universitäten. In allen auf der Tagung vertretenen Ländern gibt es Bestrebungen in diese Richtung, und überall sind gemeinsame Ziele erkennbar:
- In ganz Europa geht die Tendenz dahin, die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit der öffentlichen Universitäten zu stärken. Der Staat, der diese Universitäten in der Vergangenheit gelenkt und verwaltet hat, zieht sich aus der operativen Steuerung zurück und beschränkt sich auf die Vorgabe genereller Ziele und die Rechtsaufsicht.
- Hand in Hand damit geht eine Stärkung der Leitungsstrukturen innerhalb der Universitäten. Der Rektor, traditionell ein "primus inter pares", verwandelt sich in eine Führungskraft, bei der die Letztverantwortung für alle Angelegenheiten der Universität ruht. Diese Rolle kann er nur spielen, wenn seine Befugnisse entsprechend ausgeweitet werden und wenn er von einer professionellen Administration unterstützt wird.
- Das zwingt die Kollegialorgane dazu, ihre Rolle und ihr Selbstverständnis neu zu definieren. Ihre beratende Rolle tritt auf Kosten der traditionellen Leitungsfunktion in den Vordergrund.
Diese gemeinsamen Trends konkretisieren sich freilich in einer Vielzahl unterschiedlicher Ausprägungen. Die sprichwörtliche Vielfalt in Europa kommt auch darin zum Ausdruck, dass es kein allgemein verbindliches Vorbild gibt, an dem sich alle Staaten orientieren. Das bezieht sich sowohl auf die Form des Reformprozesses wie auf das Ziel der veränderten Organisationsstruktur.
Unterschiede beim Tempo der Reformen
Bezüglich des Reformverfahrens lassen sich vor allem Unterschiede im Reformtempo und in der Konsens- bzw. Konfliktorientierung der die Reform vorantreibenden Kräfte beobachten. Die österreichische Regierung hat sich für eine hohe Reformgeschwindigkeit entschieden, was die Wahrscheinlichkeit der Konsensfindung stark reduziert. Das war so bei den Studiengebühren, die ohne jegliche Beratung beschlossen wurden, und setzt sich in modifizierter Form beim Organisations- und Dienstrecht fort.
Demgegenüber wurde in vielen Ländern die Gesamtreform in mehrere Teilschritte zerlegt, was die Intensität der Konflikte reduziert hat. Gut bewährt hat sich auch die Praxis, so weitgehende Reformziele wie die Ausgliederung von Universitäten in Form freiwilliger Pilotprojekte zu erproben. Z.B. erprobte das Land Niedersachsen seit 1995 an einigen Reformuniversitäten Globalhaushalte, ohne diesen Universitäten schon eine eigene Rechtspersönlichkeit zu geben; in einem zweiten Schritt (seit 2001) wurde der Globalhaushalt auf alle Universitäten ausgedehnt, die aber weiterhin unselbständige Anstalten des Staates bleiben. Derzeit wird in einem dritten Schritt die rechtliche Verselbständigung der Trägerorganisationen in Angriff genommen. Ein ähnliches Vorgehen war übrigens zunächst auch in Österreich geplant, bevor die neue Regierung eine raschere Gangart auch in der Hochschulpolitik einlegte.
Was die Reformziele betrifft, kann man bemerkenswerte Variationen eines gemeinsamen Grundmusters entdecken. Überall entsteht ein "Universitätsrat" (in Niedersachsen: "Stiftungsrat"), der einem Aufsichtsrat vergleichbar ist und auf den Teile jener Funktionen übergehen, die im "alten Regime" das Ministerium erfüllt hat. Diese Räte repräsentieren überall den "Außeneinfluss" auf die Universität, aber ihre Zusammensetzung und die Art ihrer Bestellung (z.B. der Einfluss, den die Universität darauf hat) variieren. Unterschiede gibt es auch hinsichtlich des Zusammenspiels von Rat und Universitätsleitung: Wird der Rektor vom Rat bestellt (Niederlande) oder vom akademischen Senat gewählt (Basel)? Kommen die strategischen Zielsetzungen aus der Universität (Niedersachsen) oder vom Rat (Niederlande)? Gilt weiterhin das öffentliche Dienstrecht (Niedersachsen) oder wurde der Beamtenstatus des Personals abgeschafft (Basel)?
Wettbewerb zwischen den Hochschulen nimmt zu
Es gibt also weiterhin ein hohes Maß an Vielfalt in Europa, aber zugleich unterliegen alle Länder und alle Hochschulen stärker, als das jemals in der Vergangenheit der Fall war, globalen Einflüssen. Die Bildung eines "europäischen Hochschulraums", die sich die Bologna-Erklärung von 1999 zum Ziel gesetzt hat, schreitet schneller voran, als abzusehen war. Die Harmonisierung der Studienorganisation und die erleichterte Anerkennung von Studienzeiten und Abschlüssen erleichtert die akademische Mobilität. Das heißt aber zugleich: Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen nimmt zu. Bei diesem Wettbewerb geht es nicht primär um Geld, sondern um akademische Reputation. Das ist nach wie vor die "Währung", an der sich Hochschulen orientieren und in der ihr Erfolg bemessen wird. Die Organisationsreform setzt sich das Ziel, die Bedingungen der österreichischen Universitäten in diesem Wettbewerb zu verbessern. An diesem Ziel ist auch ihr Erfolg zu messen.