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Barack Obama wäre aus einem einzigen Grund der Bessere: Schon in seinen Genen ist gespeichert, dass sich die Welt nicht für alle Zeit um die Sonne USA drehen wird.
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Über die transatlantischen Beziehungen ist Ernstes und Heiteres zu berichten, der amerikanische Wahlkampf sorgte dafür. Wer dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain zu oft lauschte, könnte glauben, dass in Europa lauter Sozialisten leben. Da Amerikaner zwischen Sozialisten und Kommunisten nicht viel Unterschied machen, sollten die Europäer auf der Hut sein. Auch Arnold Schwarzenegger, dem Gouverneur von Kalifornien mit steirischer Abstammung, ist nach seinen jüngsten Äußerungen nicht mehr zu trauen. Am Ende gräbt die amerikanische Militärlobby auch noch die Domino-Theorie aus den Zeiten des Vietnamkrieges aus und lässt die US-Army bei uns einmarschieren, um den Kommunismus aufzuhalten.
Soweit die Splitter eines Wahlkampfes, der gestern sein kalendermäßiges Ende nahm. Sobald die Wähler den künftigen Präsidenten auf den Schild gehoben haben, wird die Sache auch für Europäer seriös. Die Beziehungen zwischen Europa und den USA auf eine neue, tragfähigere Basis zu stellen, wird nämlich eine wichtige und schwierige Aufgabe werden.
Die meisten Europäer haben sich mehr gefühls- als verstandesmäßig schon lange vor dem heutigen Wahltag auf Barack Obama einschwören lassen. Dass er eine besondere Neigung für Europa hätte, kann niemandem aufgefallen sein. Real- und außenpolitisch würde Obama genau wie McCain amerikanische Interessenpolitik betreiben. "U.S.A. first", daran ist nicht zu rütteln.
Ein Nichtamerikaner findet aber doch ein gewichtiges Argument, einen US-Präsidenten Obama nicht nur sympathischer, sondern auch geeigneter zu finden als einen McCain. Die Lebensgeschichte des dunkelhäutigen Mannes passt nämlich nicht zu einem zentristischen, unilateralen Weltbild. Sein Vater kam aus Kenia in Afrika und kehrte dorthin zurück. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Obama in Indonesien. Beides prägt. Und ist vielleicht beste Voraussetzung, um intellektuell mit der schleichenden Verschiebung der Machtverhältnisse auf dieser Welt fertig zu werden oder ihr wenigstens mit weniger Vorurteilen zu begegnen.
Die USA werden auch morgen noch eine Supermacht sein, und die Europäer sollten dies begrüßen, denn sie eignen sich nicht als Reservekandidat. Andererseits aber fallen die Europäer den Amerikanern mehr und mehr auf, das zeigte sich sogar in der Zahl abfälliger Bemerkungen, die im Wahlkampf über Europa zu hören waren. Der Erfolg der Eurowährung lässt sich jenseits des Atlantik nicht ignorieren. Das Krisenmanagement der EU in der aktuellen Finanzkatastrophe ist nicht so übel. Man kann vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy halten, was man will - er hat der EU als Krisenmanager ein Gesicht gegeben, das in den USA Eindruck machte. Dass die Europäer mehr Steuern zahlen, mag sein, aber in den USA ist das Thema der nicht vorhandenen Gesundheitsvorsorge für Arm und Reich akuter denn je. Auch in dieser Diskussion steckt eine schleichende "Europäisierung".
Ein McCain würde solche Ideen als Gift für das amerikanische Volk betrachten, von Obama darf man erwarten, dass er das Problem erfasst, sachlich bleibt und vergleicht. Man traut ihm das zu, selbst wenn er mit Europa relativ wenig Erfahrung hat.
Einen Dialog zwischen Europa und den USA endlich auf annähernd gleicher Augenhöhe zu führen - mehr kann sich die "alte Welt" nicht wünschen und nicht erwarten. Zu verschenken hat kein künftiger Präsident etwas für sie.