Der sogenannte Sparpakt der EU gleicht einem ausgestopften Krokodil, dem sicherheitshalber alle Zähne gezogen wurden.
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Der deutsche Vizekanzler Siegmar Gabriel (SPD) und Griechenlands (linker) Premier Alexis Tsipras hätten sich keinen symbolträchtigeren Ort als Athen aussuchen können, um ein "Ende der Sparpolitik und der Austerität in Europa" zu fordern. Denn Griechenland hat ja in der jüngeren Vergangenheit krass wie kein anderes Land vorgeführt, wo jahrelange staatliche wie private Schuldenexzesse letztlich enden - in einem Defacto-Staatsbankrott, dem Auftritt internationaler Insolvenzverwalter und dem Verlust staatlicher Souveränität. Wo, wenn nicht in Athen soll man daher als verantwortungsvoller Staatsmann vor den Gefahren der Sparsamkeit warnen und zu einer noch weiter verschärften Schuldenpolitik auffordern?
Dabei gleicht die in ganz Europa (außerhalb Deutschlands) immer populärer werdende politische Forderung, den "EU-Fiskalpakt", der die schlimmsten staatlichen Kreditexzesse wenigstens halbwegs eindämmen sollte, aufzuweichen oder gar zu kippen, dem Versuch, eine sperrangelweit geöffnete Wohnungstür einzutreten. Außer dem geschätzten "profil"-Kolumnisten Michael Lingens, der Woche für Woche ein Ende dieses "Sparpaktes" fordert, sieht kaum ein damit Vertrauter in der Wirklichkeit noch so etwas wie ein Sparpaket. An dessen Stelle ist längst ein wirtschaftspolitisches Phantom getreten, um das sich keiner schert, weil es keinerlei Wirkung oder Konsequenzen hat.
Frankreich etwa, immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, kümmert sich permanent nicht um den "Sparpakt" und macht regelmäßig deutlich mehr Schulden als erlaubt. Warum die EU dies nicht, wie juristisch vorgesehen, mit Sanktionen ahndet, erklärt EU-Präsident Jean-Claude Juncker nonchalant so: "Weil es Frankreich ist." In nur vier Worten erklärt der Chefeuropäer gleichzeitig den Wert des rechtsstaatlichen Prinzips in der Union und die Härte des vermeintlichen "Sparpaktes". Dafür schulden wir Juncker wirklich Dank.
Kaum ein anderes EU-Land - außer Deutschland, das ja bekanntlich wegen seiner Budgetdisziplin knapp vor dem Bankrott steht - nimmt den "Sparpakt" noch wirklich ernst. Spanien hatte 2015 trotz brummender Wirtschaft satte 5 (statt erlaubter 3) Prozent Defizit; dafür gibt es wohl auch endlich das vorgeschriebene Strafverfahren, aber mit größter Sicherheit schlimmstenfalls eine Strafe von "Null Euro", wie das Frankreichs Regierung schon angekündigt hat. Auch Italien ist von der Einhaltung des Fiskalpaktes so weit entfernt wie eine große Portion Pasta von kalorienarmer Diätküche.
So haben wir uns ein hartes Sparpaket schon immer vorgestellt. Tatsächlich höchste Zeit, es zu beseitigen, bevor wir uns alle zu Tode sparen.
Nur Kleingeister wie etwa die renommierte Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, auch als Zentralbank der Zentralbanken bekannt, wenden gegen neue Schulden ein, dass empirisch nachweisbar immer mehr Schulden aufgewendet werden müssen, um immer weniger Wertschöpfung zu stimulieren. So zeigt Japan, wie wenig Schuldenexzesse noch bewirken können.
Das freilich ficht jene, die ein Ende des vermeintlichen "Sparpaktes" fordern, nicht an. Wer ausgerechnet in Athen, Europas "Ground Zero" der Schuldenexzesse, für noch mehr Schulden plädiert, wird durch Fakten kaum zu beeindrucken sein.