Wenn die EU auf Gespräche mit Russland verzichtet und sich der üblichen US-Kampfrhetorik anschließt, kann das nicht nur dem Baltikum schaden.
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Vor den Toren Europas rumort es. Der Konflikt um die Krim führt möglicherweise zur Annexion der Halbinsel durch Russland, und die Einmischung Europas wird Präsident Wladimir Putin auch langfristig provozieren. Mit Angela Merkels Androhung weiterer Sanktionen gegen Russland, die wieder einmal von den USA vorgegeben und von der Europäischen Union bereitwillig befolgt werden sollen, tut die EU weder der Ukraine etwas Gutes noch sich selbst.
Während die USA die militärische Zusammenarbeit mit Russland stoppen und damit den Kalten Krieg wiederherstellen, ist Europa aufgrund seiner - in dieser Hinsicht besonders benachteiligten - geostrategischen Lage möglichen russischen Aggressionen ausgeliefert.
Die europäischen Mitgliedsstaaten mögen zwar, wie es etwa der österreichische Außenminister Sebastian Kurz getan hat, "vorpreschen" und Russlands Präsident Putin drohen, bewirken wird dies jedoch relativ wenig. Vor allem Deutschland, das sehr viel Geld in den Handel mit Russland investiert hat und energiepolitisch auf stabile Beziehungen angewiesen ist, könnte unter Putins Zorn zu leiden haben.
Freilich kümmert das US-Außenminister John Kerry und seine treue Gehilfin Victoria Nuland recht wenig, denn aufgrund der geografischen Isolation Nordamerikas und der globalen Vormachtstellung der USA fühlen sie sich dazu auserwählt, die Geschicke der Satellitenstaaten der ehemaligen Sowjetunion zu lenken. So war es in Georgien, in Polen und im Baltikum, so ist es nun auch in der Ukraine.
Arsenij Jazenjuk - und nicht die "Gasprinzessin" Julia Timoschenko oder die Boxlegende Witali Klitschko - war der bevorzugte Kandidat auf der "Road Map" der USA für die Ukraine. Seit 27. Februar ist Jazenjuk Ministerpräsident einer zerfallenden Ukraine, in der rechtsradikale Kräfte (wie die Anhänger der antisemitisch-militanten Swoboda-Partei) vor allem in den Städten für Unruhe sorgen. Wo ist da die Grundlage für einen demokratischen Übergang, mag man sich zu Recht fragen, und was wären, abgesehen von Sanktionen, die historisch gesehen nur selten etwas Positives bewirkt haben, sinnvolle Maßnahmen Europas für Frieden in der Region?
Die EU begeht einen großen Fehler, wenn sie auf Gespräche mit Russland verzichtet und sich der üblichen Kampfrhetorik der USA anschließt. Schon vor zwei Jahren hat Präsident Putin mit der Aufrüstung seiner Streitkräfte begonnen und seine Flanken in der "Militärzone West" gesichert. Dazu zählt die Exklave Kaliningrad, wo die Stationierung mehrerer Kurzstreckenraketen des Typs "Iskander" im Dezember 2013 die Nachbarstaaten Polen, Estland, Lettland und Litauen in höchste Alarmbereitschaft versetzt hat.
Im EU-Mitgliedstaat Lettland, wo fast 30 Prozent der Bevölkerung Russen sind, könnte eine gemeinsame Anti-Russland-Politik der EU auf starken Widerstand stoßen. Dann wäre der Konflikt nicht länger regional begrenzt, und das Baltikum wäre trotz seiner Nato-Mitgliedschaft der nächste Krisenherd innerhalb der Europäischen Union.