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Eine eigene EU-Armee ist immer noch nicht realistisch.
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Die EU entfernt sich von ihrem bisherigen Image als Friedensmacht. Einerseits ist diese Entwicklung durch den Konfrontationskurs und Medienkrieg mit Russland spürbar, andererseits könnte die Wortwahl des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, kaum deutlicher sein. Von einer gemeinsamen "Verteidigungspolitik" und einer "EU-Armee" spricht jener Politiker, der die künftige Richtung der Union bekanntgibt.
Während die deutsche Bundesregierung Junckers Vorschlag relativ positiv aufnimmt, scheint ein Disput mit Staaten wie Großbritannien programmiert.
Die Idee ist jedenfalls nicht besonders innovativ. Schon während des Kosovo-Kriegs 1999 hatte man in EU-Kreisen Ähnliches in Erwägung gezogen, bis man von der Nato eines Besseren belehrt wurde.
Zu stark ist der Einfluss, den die USA auf die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ausüben und der durch die Ukraine-Krise neue Dimensionen angenommen hat.
Zu groß sind auch die Ängste der "special friends" Großbritannien und USA, einem Bündnis zuzustimmen, das deren Machtposition innerhalb der Nato schwächen könnte, welches bereits vor Jahrzehnten den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle verärgerte.
Zu hoch hinaus wollen EU-Kommissionspräsident Juncker und seine Befürworter, wenn sie meinen, die EU, die angesichts ökonomischer und sozialer Probleme schon oft vor einer Zerreißprobe stand, könne ihr angeschlagenes Image mit einer Super-Armee aufwerten und womöglich Russland ohne US-Hilfe in die Enge treiben.
Der Nordatlantik-Pakt war 1949 unterzeichnet worden. Die Bündnispartner beschlossen allerdings erst in den 1950er Jahren, die militärischen Strukturen der Nato angesichts der Bedrohung durch die Sowjetunion auszubauen. Die Organisation definierte sich als Gegenpol zum Warschauer Pakt hauptsächlich militärisch, bis sie mit dem Ende des Kalten Krieges vor einem gravierenden Legitimationsproblem stand. "Das Ende des Kalten Kriegs hat die Nato ihres Feindbildes beraubt und vielleicht auch ihres Sinns", beschrieb der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour das Dilemma treffend.
Diesen Entwicklungen versuchen die Nato-Mitgliedsländer, allen voran die USA, nun seit Jahren in Abstimmung mit dem Pentagon durch zahlreiche Operationen entgegenzusteuern, von denen die wenigsten als langfristige Erfolge gewertet werden können: Sei es im Krieg gegen den Terror in Afghanistan, im Kampf gegen Piraterie am Horn von Afrika oder in der Mithilfe zur Beseitigung des Machthabers Muammar Gaddafi in Libyen, das jetzt den Islamisten und der IS als "Spielwiese" dient - die Einsätze der Nato lesen sich wie ein Kaleidoskop von Niederlagen.
Und trotzdem besteht der eiserne Wille der Mitgliedstaaten, die - zumindest offiziell - einstimmig ihre Entscheidungen fällen, das Bündnis zu erweitern, was oft zeitgleich mit der Eingliederung neuer Staaten in die EU passiert ist. Vor kurzem hat die Nato neue militärische Manöver im Schwarzen Meer und im Baltikum gestartet. Die Frage nach einer eigenen EU-Armee scheint vor diesem Hintergrund nahezu lächerlich.