Zum Hauptinhalt springen

Europa verliert an Boden

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
© fotolia/smuki

Nur noch acht der Top-100-Hightech-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Europa.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Sie heißen Cap Gemini, Atos, T-Systems, SAP, Ericsson, Nokia, NXP und ST Microelectronics: Die Liste der europäischen Player unter den hundert erfolgreichsten Hightech-Firmen ist mittlerweile mehr als überschaubar. "Europa hat unter den weltweiten Top-100-Hightech-Unternehmen weiter an Boden verloren", sagt Axel Freyberg vom Unternehmensberater A.T. Kearney.

Konnten die europäischen Hightech-Unternehmen 2012 noch neun Prozent der Top-100-Umsätze für sich verbuchen, waren es 2015 nur noch sieben bis acht Prozent. Ursache dafür war unter anderem die Übernahme der Mobiltelefon-Sparte von Nokia durch Microsoft. Zudem haben mittlerweile nur noch acht der globalen Top-100-Hightech-Konzerne ihren Hauptsitz in Europa, wie das Update der Studie "Rebooting Europe’s High Tech Industry" von A.T. Kearney belegt.

Gefahr für die Konkurrenzfähigkeit

Untersucht wurde die aktuelle Situation am Hightech-Markt anhand der Finanzzahlen von 2012. Im Fokus der Untersuchung stehen die wesentlichen Sektoren der ICT-Industrie, darunter IT-Hardware, Software, Kommunikationsausrüstung, Unterhaltungselektronik, mobile Endgeräte, PCs/Laptops/Tablets und Halbleitertechnologie. "Die aktuelle Entwicklung ist unter anderem auf die Verlagerung der Nachfrage in andere Märkte, fehlende Fachkräfte und finanzielle Mittel, unzureichende strategische Weitsicht und das Fehlen einer koordinierten gesamteuropäischen Initiative zurückzuführen", so die Experten von A.T. Kearney.

Da der Hightech-Sektor von entscheidender Bedeutung für Europas künftige Konkurrenzfähigkeit ist, schrillen nun die Alarmglocken. Wichtige europäische Kernbranchen wie die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt, die Industrietechnik, der Einzelhandel, die Telekommunikation und die Energieversorgung sind auf nicht-europäische Hightech-Anbieter angewiesen, und das betrifft sowohl die Produktion als auch Entwicklung und Innovation.

Doch Axel Freyberg, der bei A.T. Kearney den Beratungsbereich Kommunikation, Medien und Technologie in Europa leitet, hat auch eine gute Nachricht: "Laut unserem Update sind die verbleibenden Spieler heute stärker als zuvor. Obwohl Europa mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat, haben es einige Hightech-Unternehmen geschafft, sich strategisch günstig auszurichten. Durch Fusionen und Übernahmen ist Europas Position im High-Tech-Business-to-Business (B2B) Bereich heute sehr gefestigt." So entstand aus dem Zusammenschluss von Alcatel-Lucent und Nokia ein neuer europäischer Champion im Bereich Kommunikationszubehör und -service. Auch bei den Halbleitern gibt es einen neuen europäischen Top Player: NXP positionierte sich durch die Übernahme von Freescale erstmals in den Top Ten.

Doch auch die globale Konkurrenz hat ihre Hausaufgaben gemacht: So konnte sich Lenovo durch die Akquisition von Motorola zur Nummer drei bei den Mobiltelefonen entwickeln und Dell durch ihre Fusion mit EMC zur Nummer fünf in IT-Services und -Software.

Neue Quelleinnovativer Produkte

Die EU-Kommission hat viele der Mängel erkannt und unter anderem mit dem Rahmenprogramm "Horizont 2020" reagiert. "Diese Initiativen greifen in der Regel aber zu kurz", ist Freyberg skeptisch. Es fehle ein strategischer Masterplan, bei dem die EU verstärkt auf ICT-Sektoren mit Wachstumspotenzial setzt. Um die Position Europas wiederherzustellen, brauche es eine neue Quelle innovativer Produkte.

"Das Internet der Dinge (IoT) verkörpert genau diesen Wachstumstreiber, der Europa nun helfen könnte, seinen Hightech-Sektor weiter voranzutreiben", so Freyberg. Laut A.T. Kearney wird das Internet der Dinge in Europa einen 80 Milliarden Euro schweren Markt für IoT-Lösungen, Software, Komponenten und Dienstleistungen schaffen. Trotz einer schwierigen Position im Bereich Komponenten erfülle Europa viele der Voraussetzungen, um im IoT-Markt eine führende Rolle einzunehmen. Die Stärke in Schlüsselbranchen wie Gesundheit, Automotive und Industrials, erfolgversprechende Start-ups sowie führende Player in Kommunikationszubehör sind nur einige Beispiele, die zeigen, welch Rolle Europas Hightech-Branche für das Internet der Dinge spielen könnte.