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Europa will aufrüsten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Um eine EU-Armee gehe es nicht, betonte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, hier auf einer Militärbasis im belgischen Florennes.
© reu

EU-Kommission schlägt Verteidigungsfonds für Forschung und Entwicklung vor.


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Brüssel. Ausgaben senken durch bessere Zusammenarbeit: Ein simples Prinzip soll den Europäern dabei helfen, auch im Verteidigungsbereich effizienter zu werden. Die EU-Staaten könnten nämlich dutzende Milliarden Euro für Rüstungsausgaben sparen sowie ihre Industrie stärken, wenn sie kooperieren. Diese Idee steht hinter den Plänen der EU-Kommission für eine gemeinsame Verteidigungsstrategie. Sie schlägt die Einrichtung eines Fördertopfs vor, aus dem Geld in die Forschung und Entwicklung im Rüstungsbereich fließt. 90 Millionen Euro sollen dafür in den nächsten drei Jahren bereitgestellt werden; in der kommenden Finanzierungsperiode ab 2020 sollen dann Programme im Umfang von 500 Millionen Euro jährlich möglich werden.

Gleich drei Kommissare stellten den "Europäischen Verteidigungsaktionsplan" vor: EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der für Investitionen zuständige Vizepräsident der Behörde, Jyrki Katainen, sowie Binnenmarkt-Kommissarin Elzbieta Bienkowska. Der gemeinsame Auftritt sollte umso mehr die Notwendigkeit der länderübergreifenden Zusammenarbeit betonen. Um die gehe es auch, betonte Katainen - und nicht um eine Reaktion auf das Ergebnis der jüngsten US-Wahl.

Die Äußerung ändert aber nichts daran, dass die Initiative keineswegs von aktuellen Ereignissen losgelöst ist. Der designierte US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf die Europäer zu mehr militärischem Engagement aufgefordert und mit der Kürzung der US-Unterstützung gedroht. Großbritannien ist auf dem Weg, die Gemeinschaft zu verlassen - und es war gerade London, das sich immer heftig gegen die Stärkung von Militärstrukturen ausgesprochen hat, die dem transatlantischen Nato-Bündnis entgegengestellt werden könnten. Die aggressive Außenpolitik Russlands schürt Sorgen vor allem in Osteuropa.

All das wird wohl dazu beigetragen haben, dass sogar zuvor skeptische Mitgliedstaaten nun zu mehr Kooperation bereit sind, wie Katainen befand. Vor allzu weit reichenden Vorhaben scheuen die Regierungen sich freilich: Eine eigene EU-Armee ist ebenso wenig in Sicht wie ein EU-Hauptquartier, das die Kommission ebenfalls als eine Idee eingebracht hatte. Daher konzentriert sich die Behörde nun auf einen gemeinsamen Verteidigungsfonds.

Denn die Ausgaben der EU-Länder in diesem Bereich sind innerhalb von zehn Jahren um rund ein Drittel zurückgegangen. Und die Spielräume im Budget sind eng, wenn die Mitglieder gleichzeitig Sparvorgaben erfüllen müssen. Daher sollen die Strukturen gestrafft werden.

Nutzen für Rüstungsindustrie

Katainen erklärte das am Beispiel der Beschaffung von Drohnen: Wenn mehrere Staaten gemeinsam zwanzig unbemannte Luftfahrzeuge kaufen, dann ist der Stückpreis dafür geringer, als wenn jedes Land jeweils nur zwei oder drei Geräte bestellt. Oder die Mitglieder könnten zusammen in die Entwicklung neuer Technologien investieren, von denen sie dann auch zusammen profitieren. Die Interoperabilität könnte verbessert, Doppelgleisigkeiten könnten vermindert werden.

Doch geht es bei dem Vorhaben nicht nur um mehr Effizienz. Nießnutzerin soll nicht zuletzt die europäische Verteidigungsindustrie sein. Diese soll etwa durch die Forschungsförderung und mehr Möglichkeiten zum Wettbewerb gestärkt werden. Bienkowska setzt auch hier auf Marktöffnung: Auf den stark unter Kontrolle der Mitgliedstaaten stehenden Rüstungsmärkten sollen grenzüberschreitende Ausschreibungen erleichtert werden. Selbst kleine und mittlere Zulieferbetriebe sollen profitieren können - über die Europäische Investitionsbank, die Kredite zu günstigen Konditionen vergeben soll.

Ein Anreiz, mehr Geld für die Vereidigung auszugeben, könnte für die Mitglieder die Aussicht darauf sein, dass diese Kosten bei der Berechnung des Budgetdefizits nicht berücksichtigt werden. EU-Mittel hingegen sollen zunächst einmal lediglich in den Verteidigungsfonds fließen, der für Investitionen in die Forschung genutzt werden soll. Von den 90 Millionen Euro, die der Topf bis 2020 enthalten soll, sind 25 Millionen Euro für das kommende Jahr bereits budgetiert. Die Mittel für die Jahre danach - nach Vorstellungen der Kommission 500 Millionen Euro jährlich - sind noch mit den Staaten zu verhandeln.

Diese sollen aber auch Geld für andere Rüstungsausgaben zur Verfügung stellen, findet die Behörde. Wenn die Länder nämlich bei der Beschaffung enger zusammen arbeiten, könnten Milliarden Euro mobilisiert werden, die wiederum in Rüstungsprojekte wie eigene Entwicklung und Bau von Helikoptern fließen könnten. Den finanziellen Bedarf dafür schätzt die Kommission auf fünf Milliarden Euro.