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Europa will jetzt gegenüber Washington Flagge zeigen

Von Matthias Lauber

Europaarchiv

Dänemarks Außenminister Per Stig Möller wird sein Ziel für das Treffen der EU-Außenminister ab Freitag in Helsingör nicht erfüllen können. Auf nur zwei Themen sollten sich die Gäste der dänischen Ratspräsidentschaft konzentrieren - die EU-Erweiterung und den Friedensprozess in Nahost. Doch die Weltpolitik hielt sich nicht an die Tagesordnung der Europäer.


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Mit der Kriegsdrohung gegen den Irak aus Washington und dem Streit um den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) haben die Außenminister gleich zwei weitere Themen, die schwerlich vertagt werden könnten. Selbstbewusst will die Europäische Union hier Flagge zeigen - doch die USA gleichzeitig nicht vor den Kopf stoßen.

Geschlossenheit

"Mit dem Strafgerichtshof haben die Europäer immer dann Erfolge verbucht, wenn sie sich einig waren," erinnert sich ein Brüsseler Diplomat. Geschlossenheit sei deshalb gefragt, wolle die EU dem Versuch der USA etwas entgegen setzen, die Autorität des Gerichtshofes zu untergraben. Im Juni hatten sich die EU-Außenminister auf eine klare Aussage zu dem US-Gesetz verständigt, das sich gegen eine Zusammenarbeit mit dem IStGH wendet: "Die Bestimmungen sind dazu angetan, die Arbeiten des Strafgerichtshofs ernsthaft zu gefährden," hieß es damals.

Unklar ist, wie die Außenminister mit der kaum verdeckten Drohung Washingtons an die Adresse der NATO-Anwärter in Osteuropa umgehen wollen. Zwar ist in Brüsseler NATO-Kreisen die Rede davon, dass die Drohung, den Beitritt solcher Kandidaten nicht zu unterstützen, die sich bilateralen Nichtauslieferungsabkommen mit den USA verweigern, "atmosphärisch noch nicht zu spüren" sei - und vielleicht nicht mehr sei als ein von Washington gestarteter "Testballon". Doch unangenehm sei die Lage für die NATO-Kandidaten gleichwohl. Schon gehe die Frage nach der angemessenen "Loyalität" um. Die Zeit drängt, denn im November will die NATO in Prag über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden.

Die EU-Regierungen haben sich bisher zurückgehalten. Nur die - in diesen Fragen kompetenzlose - EU-Kommission ist ins Feld geschickt worden: Sie hat die EU-Beitrittskandidaten aufgefordert, mit bilateralen Abkommen zu warten, bis eine geschlossene EU-Position vorliegt. Damit rechnen Diplomaten in Helsingör aber kaum, selbst wenn alle 15 Regierungen prinzipiell hinter dem IStGH stünden. Das schließt auch Italien und Großbritannien ein - die beiden EU-Länder, denen derzeit am wenigstens die Bereitschaft zur Konfrontation mit den USA zugetraut wird.

Deutliches Wort

Als noch heikleres Thema schätzen Brüsseler Diplomaten die Drohungen der USA gegenüber dem Irak ein. Spätestens wenn der dänische Vorsitz seine Überlegungen zum Nahost-Friedensprozess vorlegen werde, müsse wohl auch über den Irak gesprochen werden, heißt es. Ein deutliches Wort der Europäer an die Adresse des transatlantischen Partners wird in Helsingör zum Thema Irak aber nicht erwartet. Die Ministerrunde kann sich mit der Begründung aus der Affäre ziehen, dass informelle Treffen ausdrücklich keine formalen Entscheidungen fällen.

EU-Zeitplan

Zudem müssen sich die Außenminister in Helsingör auch um andere wichtige Fragen kümmern: Bei der EU-Erweiterung drängt der Zeitplan bis zum entscheidenden Gipfel Mitte Dezember. Gesprochen werden soll dabei auch über die Kandidaten, die zunächst noch nicht der EU beitreten sollen, nämlich Rumänien und Bulgarien, sowie über den Anwärter Türkei und die künftigen EU-Nachbarn Ukraine, Moldawien und Weißrussland. Unter "Sonstiges" hat Gastgeber Möller den Weltgipfel für Nachhaltigkeit in Johannesburg, den Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan und auch die Hochwasserkatastrophe in Mitteleuropa gesetzt.

Ein neuer Anlauf schließlich soll bei dem von Griechenland blockierten Abkommen zwischen EU und NATO gemacht werden, dass seit bald einem Jahr nicht voran kommt.