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Die gesellschaftspolitische Destabilisierung - zuletzt deutlich geworden bei Krawallen in europäischen Städten - erzeugt demokratiefeindlichen Druck.
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Die Vorfälle in London, Birmingham, Norwegen oder die Anarcho-Szene in Berlin samt der absenten Polizei, Angst in anderen Städten, die wirtschaftspolitischen Zustände in einigen europäischen Staaten, die Ohnmacht der Politik gegenüber den Folgen der Globalisierung - dies deutet auf eine böse Zukunft hin. In Großbritannien haben wertefrei aufgewachsene, undisziplinierte Eltern ebensolche Kinder großgezogen und auf die Gesellschaft losgelassen. In London plünderten kriminelle Zuwanderer ebenso, wie Jugendliche "aus gutem Haus".
Der Berater von US-Präsident Barack Obama und Experte für den Mittleren Osten, Parag Khanna, konstatierte in Alpbach unter "How to Run the World" einen Verfall des Westens: Dekadenz, Gier, Ohnmacht der Regierungen, Kompetenzverlust bei den Politikern, die nicht mehr führen können. Das Ergebnis sind Demokratieverfall, soziale Spannungen, Demoralisierung, Radikalisierung der Mitte und Fundamentalismen an den Rändern - Vorgänge, die in steigendem Ausmaß in fast allen westlichen Demokratien anzutreffen sind.
Ähnlich Erhard Busek bei seiner Eröffnungsrede des heurigen Europäischen Forums Alpbach, der auf Unsicherheiten, Pessimismus und den Werteverlust hinwies, wie auch auf eine Politik, die keine Orientierungen mehr vermitteln kann.
Politik kommt bei der Jugend nicht an: Wenn Politiker sagen, Kredite an Griechenland wären "ein gutes Geschäft", nur um sich später sagen lassen zu müssen, dass dieses Geld nie mehr zurückfließen wird, dann sind solche Politiker mit dem Problem mangelnder Kompetenz und Ehrlichkeit konfrontiert. Es gilt: "Reden statt Wissen".
Man tut nichts gegen die Korruption, weil immer die Politik mit involviert ist, kaum etwas gegen Organisierte (Ost-)Kriminalität, weil es da um Einnahmen aus dubiosen Geschäften geht und niemand seinen Anteil gefährdet sehen will. Neuerdings gibt es täglich über ganze Seiten gehende (bezahlte) Politikerinterviews ohne jeden Informationswert. Sie schaden den Politikern und den Tageszeitungen gleichermaßen ("versteckte Werbung").
Parallel dazu ist Kritik immer mehr unerwünscht, sie stört; daher verschärfen die Regierungen Internetkontrollen, überwachen Telefone, man will Zeitungen stärker zensurieren und diffamiert jene, die ihre Meinung konträr zu den Parteien und Machtzentren offen äußern, während man den Geist des Vertrages von Lissabon immer mehr verlässt: Die EU will mehr Macht, ohne an den Problemen etwas ändern zu können. So nähert sich Europa immer mehr Russland, China oder Burma an.
Der Bürger wähnt sich in einer Anarchie, in der Eigentum nichts mehr gilt und beschmierte Hauswände nun "Kunst" sind, Staatsanwaltschaft und Gerichte Rechtsunsicherheit erzeugen. Und es droht jenen, die dem öffentlichkeitswirksam kritisch gegenüberstehen, demnächst eine Vormerkung und bald vielleicht auch ein "Verhetzungs-Paragraph", ähnlich einer nicht allzu fernen Vergangenheit.
Friedrich Korkisch ist Leiter des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik in Wien.