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Damit die Banknoten noch sicherer, robuster und grüner werden, forscht der Österreicher Markus Emerich bereits am Euro 3.0.
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Auch Geld wie Heu will unterschrieben sein. Zumindest das europäische. Jede Euro-Banknote ziert die Unterschrift der beim Druck der Scheine amtierenden Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Derzeit signiert den Euro die Französin Christine Lagarde. Bei der Euro-Bargeldeinführung vor zwanzig Jahren stand der Niederländer Wim Duisenberg an der EZB-Spitze. Bei der Präsentation der ersten Euro-Serie sagte er: "Dies ist ein Augenblick, in dem der Mantel der Geschichte uns streift." Seit 1. Jänner 2002 ist der Euro-Mantel mehrmals vergrößert worden. 2015 kam als bis dato letzte Erweiterung Litauen dazu, die Mantelgröße misst derzeit 19 EU-Staaten.
Ausgabe-Zyklen
Staatsschulden-, Banken- und Wirtschaftskrisen haben in zwei Jahrzehnten größere und kleinere Brandflecken am Währungs-Mantel hinterlassen. Und auch an den Banknoten sind die Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Um höchste Sicherheitsstandards und Qualität zu garantieren, wurde zwischen 2013 und 2019 die zweite Euro-Serie in Umlauf gebracht.
"Zehn bis 15 Jahre sind ein Zyklus, wo man mit der Ausgabe einer neuen Serie beginnen sollte", erklärt Markus Emerich die Notwendigkeit für den Banknoten-Relaunch: "Das mag in anderen Ländern verschieden sein, aber im Euro-System ist das ein guter Zyklus, wo wir sagen können, wir sind den Fälschern wieder ein schönes Stück voraus."
Emerich leitet das Team für Forschung und Entwicklung in der EZB und ist maßgeblich für die Fälschungssicherheit der Banknoten zuständig. In der eigenen Research-und-Development-Abteilung sieht Emerich einen großen Vorteil, da "wir unsere Sicherheitsmerkmale nicht nur zukaufen, sondern selbst entwickeln und dadurch eigenständige Merkmale haben. Unser Know-how wird auch nicht weiterverkauft, gehört dem Euro-System und wird nur dafür verwendet."
Dass es von krimineller Seite großes Interesse gibt, den Euro zu fälschen, liegt für den Experten auf der Hand: "Der Euro ist eine Weltwährung, genauso wie der Dollar, deswegen ist es für Fälscher attraktiv, den Euro zu fälschen, da er einen sehr großen Absatzraum hat." Aber der Euro gehört für ihn "sicher zu den Banknoten, die am schwersten zu fälschen sind". Die wenigen Fälschungen, die auftauchen und einigermaßen gut sind, seien meist Fälschungen der ersten Euro-Serie: "Deswegen war es wichtig, dass wir die Euro-Serie 2 mit den neuen Sicherheitsmerkmalen haben, die bis jetzt noch nicht kopiert wurden. Offensichtlich haben wir die Serie so gut gemacht, dass sie kaum gefälscht wird." Besonders stolz ist Emerich auf die Entwicklung der "Smaragdzahl" auf den Geldscheinen: Beim Kippen erscheint ein Lichtbalken, der über die Zahl fährt und dabei die Farbe von smaragdgrün zu tief blau verändert.

Aufgrund der wenigen Fälschungen die Sicherheitsmerkmale zu ignorieren, würde Emerich trotzdem nicht empfehlen: "Unsere Intention ist: Eine Euro-Banknote sollte angeschaut werden. Das ist wichtig. Andererseits brauchen sich die Bürger aber keinen allzu großen Kopf machen, denn Gottseidank sind die Fälschungszahlen sehr niedrig und der Trend geht weiter nach unten."
Visualisiertes Europa
Der gebürtige Linzer studierte Physik in Graz und widmet sich seit seiner Doktorarbeit, die er über Banknotensortiermaschinen schrieb, der Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Banknoten: "Verbesserungen machen wir immer", sagt Emerich, aber auch die nächste Generalüberholung des Euros ist bereits avisiert: "Am 6. Dezember 2021 hat die EZB angekündigt, dass wir die Euro-Banknoten bis 2024 neu gestalten wollen. Unser Ziel ist es, Banknoten zu entwickeln, mit denen sich die Europäer identifizieren können."
Die Bezeichnung der zweiten Euro-Entwicklungstranche trägt den Namen "Europaserie". Ein Euro mit Namen Europa? Klingt nach weißem Schimmel. Der Name der Banknotenserie verdankt sich dem Porträt der mythischen Frauengestalt Europa, die sowohl als Hologramm als auch als Wasserzeichen die Geldscheine fälschungssicherer macht. "Um Geld kommt niemand herum, und deshalb wird die Europa-Ikonographie am wirksamsten über die gemeinsame Währung, den Euro, verbreitet werden", prophezeite Wolfgang Schmale, Historiker an der Universität Wien, in seinem Buch "Geschichte Europas" bereits zur Euro-Einführung: "Der Euro bringt das visualisierte Europa in den Geldbeutel - näher dran geht es nicht."
An der Affinität der Europäer zu ihrem Geld konnte selbst die Corona-Pandemie mit der Aufforderung zu bargeldlosem Zahlungsverkehr aus Hygienegründen nichts ändern. "Bargeld ist weiterhin das beliebteste Zahlungsmittel in Europa, gerade in Österreich", bestätigt EZB-Experte Emerich: "Im Jahr 2019 wurden knapp 80 Prozent aller Ladenumsätze in Österreich bar bezahlt. Der europäische Durchschnitt lag bei 73 Prozent."
Laut EZB-Statistik sind derzeit über 27,6 Milliarden Stück Euro-Banknoten im Umlauf. Ihr Wert beträgt mehr als 1,5 Billionen Euro. Um diese gigantische Zahl einordnen zu können, wird folgender Vergleich genannt: Würde man die Summe in Form von 50-Euro-Scheinen der Länge nach hintereinanderlegen, könnte man die Erde rund 100-mal umwickeln. Und zu den Banknoten kommen noch knapp 141 Milliarden Euro- (Cent-)Münzen mit einem Wert von rund 31 Milliarden Euro dazu.
Digitaler Euro
Im Vorjahr startete die EZB zudem mit der Untersuchungsphase für den "digitalen Euro". Sollte der EZB-Rat nach dieser Probebohrung zur Entscheidung kommen, es brauche auch digitale Schürfrechte für die Gemeinschaftswährung, könnte zum 25. Geburtstag des analogen Euro in fünf Jahren das digitale Geschwisterchen von der Zentralbank ausgegeben werden. "Das Schwester- oder Bruderprojekt digitaler Euro ist wichtig", kommentiert Emerich das Vorhaben: "Man sollte als EZB nicht die Augen vor der Zukunft und den damit einhergehenden digitalen Zahlungsmethoden verschließen. Die Systeme werden koexistieren, und das ist auch die Idee dahinter."
Das europäische Geld mit der vom liebestollen Zeus in Gestalt eines Stiers gekidnappten Europa zu verknüpfen, ist für Europahistoriker Schmale eine gute Idee. Die Werbung für den Euro mit dem antiken Mythos sei nicht zu unterschätzen. Noch dazu, wo die Europäer immer schon in ihren Europamythos vernarrt waren. In Schmales Europa-Buch ist nachzulesen - der kleine Exkurs abseits vom Geld sei gestattet -, dass der Name "Japhetien" lange mit "Europa" bei der Namensgebung für diesen Kontinent konkurrierte. Von Sem, Ham, Japhet, den Söhnen Noahs, die mit ihm, ihren Familien und ihrem Arche-Zoo der Sintflut entkamen, stammen laut Bibel "alle Völker der Erde ab".
Sem bekam den Osten, sprich Asien, zugesprochen, Japhet den Westen. Ham stieg ohne Noahs Segen und geographisch bescheiden aus (nachzulesen im Buch Genesis, Kapitel 9 und 10). Noch im 16. Jahrhundert gab es bedeutende Stimmen, schreibt Schmale, die für Japhetien als Namen für den Kontinent plädierten, denn "es schicke sich nicht, der Affäre zwischen einem Tier und einer Frau, die schließlich keine Heilige gewesen sei, zu huldigen". Hätte sich diese Position durchgesetzt, laut Schmale war das nicht ausgeschlossen, würden wir heute mit Japhet bezahlen. Da unsere Vorfahren aber eine Königstochter dem Überlebenden einer Flutkatastrophe vorzogen, sind wir Europäer und Euro-Payer geworden. Für Schmale logisch: "Der Mythos der Europa steckte voll erotischer Anspielungen, die gerne erzählt und gemalt wurden, die positiv konnotiert wurden und waren."
Genug von Mythen und Erotik, wenn auch Geld sehr viel mit beidem zu tun hat. Beim Euro-Start 2002 warb der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi, für die neue Währung: "Der Euro ist ihr Geld, er ist unser Geld. Er ist unsere Zukunft. Er ist ein Stück Europa in unseren Händen."
Wer dieser Aufforderung folgt und einen genauen Blick auf die Scheine wirft, staunt über die kulturelle wie geographische Ost- erweiterung des Euro: In Ergänzung zu den Fenstern und Toren auf den Vorderseiten, die für den europäischen Geist der Offenheit stehen, symbolisieren die Brücken auf den Rückseiten die Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas und mit der übrigen Welt.
Im Westen nichts Neues
Im Unterschied zur ersten Serie steht die Bezeichnung Euro nicht mehr nur in lateinischer und griechischer Schreibweise, sondern auch in kyrillischer Schrift (EBPO). Der EU-Beitritt Bulgariens machte diese Ergänzung notwendig. Gemäß Maastricht-Vertrag müssen alle EU-Staaten den Euro einführen, sobald sie die Kriterien erfüllen - Ausnahmen gelten für Dänemark und Schweden. Trotz kyrillischer Aufschrift kreist Bulgarien noch in der Warteschleife für die Euro-Zone. Doch der Euro-Klub baut vor, an den Banknoten scheitern Euro-Ost- erweiterungen in den kyrillischen Sprachraum nicht.
Weiter nach Osten greift auch die Landkarte des Euro 2.0: Um dem Euroland Zypern seinen Platz einzuräumen, nähert sich das Euro-Europa dem Fußball-Europa nach UEFA-Definition: Die Mittelmeerküsten Israels, Libanons und Syriens zeichnen sich ab, die Türkei ist fast vollständig abgebildet und der Kaukasus schimmert am Ostufer des Schwarzen Meeres durch. Bedenkt man die von Banknotenentwickler Emerich erwähnte lange Vorlaufzeit jeder Euro-Neuauflage, kann man den Gelddesignern schwerlich eine Parteinahme im schwelenden Konflikt mit Russland um diesen Landstrich unterstellen. Die Botschaft ist dennoch eindeutig: Die Ukraine samt Krim liegt weit innerhalb des neuen Euro-Horizonts.
Während die Euro-Rückseite weiter nach Osten greift, gibt es im Westen nichts Neues: Die Kanaren, Madeira und Azoren, wo der Euro offizielles Zahlungsmittel ist, sind abgebildet. In der linken unteren Ecke der Banknote sind in kleinen Kästchen die sogenannten "EU-Gebiete in äußerster Randlage" gestapelt: Französisch-Guyana, ein nördlicher Nachbar von Brasilien, die Karibik-Inseln Martinique und Guadeloupe sowie Réunion im Indischen Ozean. Nicht auf dem Schein ist die Euro-Insel St.-Pierre-et-Miquelon an der Westküste Kanadas. Nur Inseln ab 400 Quadratkilometern wurden aus produktionstechnischen Gründen eingezeichnet.
Der Währungsrealität entsprochen hätte auch ein größeres Stück Afrika auf der Euro-Karte: In der CFA-Franc-Zone sind ein gutes Dutzend west- und zentralafrikanische Länder von A wie Äquatorialguinea bis Z wie Zentralafrikanische Republik an den Euro gekoppelt, so wie Kap Verde im Atlantik und die Komoren im Indischen Ozean. In Kontinentaleuropa haben zudem die Nicht-EU-Staaten Andorra, Kosovo, Monaco, Montenegro, San Marino und Vatikanstadt den Euro als Zahlungsmittel eingeführt. Eigene Euro-Münzen prägen dürfen außerhalb der Währungsunion Monaco, San Marino und der Vatikan - ein gutes Geschäft für diese Runde.
Auf die Frage, ob es mitunter schwierig sei, einen Konsens zwischen den Banknoten-Designern mit ihren ästhetischen Ansprüchen und den Sicherheits-Wächtern zu finden, antwortet Emerich: "Das ist ein Wechselspiel. Es ist wichtig, dass wir ein Design haben, das die Leute anspricht. Dann schaut man sich eine Banknote gerne an - und das wollen wir, denn dann sehen sich die Leute auch die Sicherheitsmerkmale an, die sich wiederum gut ins Design integrieren sollen."
Prüfender Dreischritt
Fühlen, sehen, kippen - der von der EZB empfohlene Dreischritt zur Überprüfung der Echtheit klingt einfach, aber dahinter steckt jahrzehntelange Forschungsarbeit von Emerich und seinen Vorgängern. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung im 23. Stock des EZB-Turms in Frankfurt ist, was die Nationalitäten als auch den beruflichen Hintergrund betrifft, so europäisch bunt wie die Euro-Scheine. Emerichs Kollegen kommen aus Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Deutschland, Polen und sind gelernte Chemiker, Physiker, Papier-Zellstofftechniker oder Spezialisten in Drucktechnologie. Auch eine Expertin für neurologische Studien bereichert das Team. Sie forscht, wie Sicherheitsmerkmale am besten zu gestalten sind, damit diese vom menschlichen Gehirn am leichtesten erfasst werden können.
"Wir gehen bei unserer geplanten Neugestaltung der nächsten Euro-Serie verstärkt auf unsere Stakeholder zu, sprich, wir holen die verschiedenen Interessengruppen schon bei der Entwicklung mit ins Boot", skizziert Emerich den Plan für Euro Nr. 3: "Es ist zum Beispiel wichtig, dass wir mit den Herstellern von Zählmaschinen und Geldautomaten bei der Entwicklung unserer Banknoten gut zusammenarbeiten. Damit die nicht erst hinterher mit der Entwicklung beginnen müssen."
Als wichtige aktuelle Stoßrichtung nennt Emerich die Ökologie: "Wir schauen ganz stark auf das Klima und überlegen uns: Wie können wir die Banknote nachhaltiger machen? Wie können wir das Klima schützen? Im Moment passiert das vor allem noch durch Lackierungen, da Oberflächenbeschichtungen große Auswirkungen auf die Lebensdauer haben."
Die am häufigsten verwendeten Euro-Scheine (5er, 10er, 20er) sind mit Speziallack beschichtet, der ihre Haltbarkeit bis zu einem Viertel verlängert, zudem Herstellungskosten und Ressourcen spart. Man kann auch das Banknotensubstrat stärken, "damit es weniger Eselsohren und Einrisse gibt", nennt Emerich eine Möglichkeit, die Scheine robuster zu machen: "Das bedeutet weniger Transporte und ist gut für die Klimabilanz. Daneben suchen wir Materialien, die nachhaltiger erzeugt werden können." Die Wiederverwertung ist ebenfalls wichtig: "Die Lebensdauer der Banknote hängt von der Denomination ab, die 5er- halten kürzer als die 100er-Scheine, aber irgendwann sind auch die abgenutzt und verschmutzt. Da gibt es mehrere Recyclingmöglichkeiten, die wir dabei sind zu untersuchen und zu etablieren."
"Grüner" Euro
Greta Thunberg und "Fridays for Future" sind also auch in der EZB angekommen: "Der grundsätzliche Zugang dazu hat sich geändert", beschreibt Emerich den Klimabewusstseinswandel: "Gewisse ökologische Parameter zu erfüllen, war früher ein ‚Nice to have‘, aber jetzt ist das eine klare Stoßrichtung der EZB und ein Muss für uns in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Wir machen bei jedem Projekt mittlerweile eine Lebenszyklus-Analyse, um die Nachhaltigkeit der entwickelten Produkte und Prozesse zu evaluieren."
Der vor der Euro-Einführung verstorbene Börsenguru André Kostolany sagte voraus: "Der Euro ist wie ein ungeborenes Kind: Niemand weiß, ob es ein Genie oder ein Dummkopf wird." Mittlerweile ist der Euro weit über das Teenager-Alter hinausgewachsen und nach 20 Jahren zeigt sich, dass die gemeinsame Währung dem gemeinsamen Europa gleicht: Nicht perfekt, aber die beste aller europäischen Welten mit viel Luft nach oben und Potenzial für die Zukunft.
Markus Emerich baut auch in diese Richtung vor: Seine Töchter brillierten bereits mit Referaten über das Sehen, Fühlen und Kippen des Euro in der Volksschule. Da kommen bei Emerich Vater- und Berufsstolz zusammen: "Ja, ich bin sehr wohl stolz auf unsere Arbeit, schaue mir auch andere Banknoten an und vergleiche gerne." Und nicht nur dieser Vergleich macht den Euro-Experten zum glühenden Europäer: "Wir sind ein Europa, wir ziehen an einem Strang, nur so können wir die Herausforderungen meistern, die uns im globalen Umfeld erwarten. Ich genieße es über alle Maßen, in diesem multikulturellen Umfeld arbeiten zu dürfen" - und das gemeinsame Europa in hunderten Millionen Geldbörseln sicherer, robuster und grüner zu machen.
Wolfgang Machreich lebt als freier Autor und Journalist in Wien. Autor des Buches "EU-Gipfel - 28 Höhepunkte Europas, auf die man stehen muss".