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Europäer wollen Sanktionen gegen Russland beibehalten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Ukraine-Krise und Investitionsplan dominierten EU-Gipfel.


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Brüssel. Als Premier vertrat er ein Land, das gern eine schärfere Gangart gegenüber Russland gesehen hätte. Als Ratspräsident muss er nun in die Vermittlerrolle schlüpfen. Gleich bei dem ersten Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, das Donald Tusk leitete, stand ein Thema auf der Agenda, das in Polen auf besondere Aufmerksamkeit stößt: der Konflikt in der angrenzenden Ukraine sowie die Nachbarschaftspolitik generell. Neben dem von der EU-Kommission angekündigten Investitionsprogramm dominierte die Krise den Gipfel in Brüssel.

Dabei standen nicht zuletzt die Sanktionen gegen Russland zur Debatte. Die Außenminister der EU haben bereits vor einem Monat beschlossen, die Strafmaßnahmen gegen die von Russland annektierte Krim und die dort gelegene Stadt Sewastopol auszuweiten. Diese sollen nun umgesetzt werden. So kommt zu den Kontosperren und Einreiseverboten in die EU beispielsweise hinzu, dass Kreuzfahrtschiffe aus der Union nicht mehr in den Häfen der Krim einlaufen dürfen. In Kraft sind bereits andere gegen den Kreml verhängte Maßnahmen wie ein Exportbann für bestimmte Hochtechnologie-Güter oder erschwerter Zugang russischer Unternehmen zu den EU-Kapitalmärkten.

Doch die wirtschaftlichen Turbulenzen in Russland geben der EU Anlass zu Sorge. Die Spitzenpolitiker stellen sich daher schon die Frage, ob von einem zusammengebrochenen Staat nicht noch größere Gefahr ausgeht. Schon seit einiger Zeit drängen einige Länder - unter anderem Italien - darauf, die Sanktionen zu lockern. Das dürfte jedoch nicht so schnell passieren. Und das nicht deswegen, weil nun ein Pole die Sitzungen der Regierungschefs leitet. Selbst Deutschland, das lange Zeit zögerlich war bei der Verhängung der Maßnahmen, will diese nicht sofort zurücknehmen. In Berlin wird - wie in Brüssel - darauf verwiesen, dass etwa der Verfall des Rubels nicht den Sanktionen geschuldet sei, sondern unter anderem einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Trotzdem betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel auch am Donnerstag die Notwendigkeit, mit Russland einen Dialog zu führen. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann wies ebenfalls auf die Wichtigkeit von Friedensgesprächen hin.

Ohne Wirkung blieben die Strafmaßnahmen freilich nicht. Für Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite ist dies ein Erfolg, wie sie in Brüssel bemerkte. Auch ihr finnischer Amtskollege Alexander Stubb machte darauf aufmerksam: So zeige sich "ganz klar" eine Flucht ausländischer Direktinvestitionen aus Russland. Nach Ansicht des schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven sollte das so bleiben. Dieser pochte auf die Beibehaltung der Sanktionen - und eine gemeinsame Linie: "Wir müssen innerhalb der EU geeint sein."

Zwist um Investitionen

Ringen um Einigkeit wird es auch bei der Umsetzung des Investitionsprogramms geben. Das von der Kommission präsentierte Vorhaben hat einen Umfang von 315 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Das Paket soll zur Ankurbelung der Wirtschaft dienen, doch facht es gleichzeitig einen seit längerem schwelenden Streit an. Den Befürwortern der Haushaltsdisziplin und teils schmerzhafter Strukturreformen stehen dabei diejenigen gegenüber, die Wachstum mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln schaffen wollen.

Dabei versuchte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, mit dem Investitionsprogramm beide Positionen zu vereinbaren. Immer wieder betonte er, dass "kein frisches Geld" in das Vorhaben fließe. Stattdessen wird ein Fonds mit Mitteln aus dem EU-Haushalt und der Europäischen Investitionsbank eingerichtet, mit insgesamt 21 Milliarden Euro. Das soll weitere Kredite generieren und Investoren anlocken. Die Ausgaben sollen bei der Defizit-Berechnung nicht berücksichtigt werden - was wiederum jene Länder beruhigen soll, die mit ihren Schuldenbergen kämpfen.

Doch trotz eines grundsätzlichen Gipfelbeschlusses über die Einrichtung des Fonds gibt es schon unterschiedliche Vorstellungen zur Verwendung der Mittel. Während der französische Präsident François Hollande den Vorschlag der Kommission begrüßte, warnte Merkel vor zu viel Enthusiasmus. Die Mitgliedstaaten sollten nicht gleich wieder an staatlich finanzierte Vorhaben denken, meinte sie. Es müsse vor allem um die Mobilisierung privater Investitionen gehen.