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Unter den heutigen Bedingungen wird sich das Krisenfeuer in der Eurozone nicht löschen lassen, sondern bald zu einem Flächenbrand ausweiten.
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Kurt Biedenkopf, ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen und "Elder Statesman", hat in einem Kommentar auf zwei tiefliegende Ursachen für die gegenwärtige Misere in Euroland hingewiesen. Zum einen ist es die Demokratien innewohnende Neigung der Politik, zur Verbesserung von Wahlchancen die Zukunft durch Schuldenmacherei zu verpfänden. Zum anderen ist es das Missverhältnis zwischen den Euroländern hinsichtlich geforderter Solidarität (Zahlungen und Garantien) und Gegenleistungen der Begünstigten (nicht wirklich erzwingbare Reformversprechen von weitgehend souveränen Staaten, siehe Griechenland).
Solidarleistungen sollen sofort und häufig unter Krisendruck erbracht werden, während die Gegenleistungen erst im Rahmen einer politischen Union durchgesetzt werden können, die aber nur auf längere Frist verwirklichbar ist. Diese Frist gewähren die Finanzmärkte jedoch sicher nicht, solange kein Grundkonsens und kein klares Konzept dafür existiert.
Unter den heutigen Bedingungen wird sich das Krisenfeuer nicht löschen lassen, sondern bald zu einem Flächenbrand ausweiten. Und dazu tragen leider auch die "glühenden Europäer" bei, und zwar mit ihrem nahezu religiösen und damit alternativenlosen Eintreten für den Erhalt der Währungsunion in der heutigen Konfiguration um jeden Preis. Das mindert nicht nur den Druck auf Problemländer, ihre finanzpolitischen Ziele und Strukturreformen vereinbarungsgemäß umzusetzen; auch ihre meist ohnehin geringe Bereitschaft zur Aufgabe von Souveränitätsrechten schwindet. Und die wirtschaftlich stärkeren Länder müssen bei jedem Aufflackern der Krise wieder einspringen.
Dieses Einspringen stößt aber zunehmend an politische Grenzen (Stärkung der extremen Flügel), an rechtliche (Deutscher Bundesverfassungsgerichtshof) und irgendwann auch an ökonomische (wenn die Finanzmärkte Deutschlands Leistungsfähigkeit in Zweifel ziehen). Was könnte getan werden?
Wenn notwendig, muss der Austritt eines Landes aus der Währungsunion zugelassen werden, natürlich mit entsprechenden frühzeitig kommunizierten Begleitmaßnahmen. Ein Austritt wäre auch ein Beitrag zur wirtschaftspolitischen Disziplin anderer Euroländer.
An den Sanierungsprogrammen der einzelnen Länder ist festzuhalten, statt sie scheibchenweise aufzuweichen. Nur so kann das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewonnen werden.
Ein konkretes Konzept für eine politische Union ist in Diskussion mit den Bürgern zu erarbeiten und - bei allen Imponderabilien - mit einem glaubhaften Stufenplan zu unterlegen.
Parallel zu diesem Stufenplan ist im Sinne eines Ausgleichs zwischen Solidarität und dafür erbrachten Gegenleistungen eine schrittweise Vergemeinschaftung der Schulden samt Bankenunion vorzusehen.
Last but not least bedarf es der Bereitschaft der Europäischen Zentralbank, wenn notwendig in dieser kritischen Übergangsphase immer wieder Flankenschutz durch unkonventionelle Maßnahmen zu leisten.