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Europäische Union und ihre Sprachen

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die EU der 25 ist derzeit Heimat von 450 Millionen Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller und sprachlicher Herkunft. Das Fundament der EU ist dabei die Idee der "Einheit in Vielfalt": Unterschiedliche Kulturen, Sitten und Gebräuche, politische Überzeugungen - und eben Sprachen.


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Neben den 21 authentischen Vertragssprachen und gegenwärtig 20 Amts- und Arbeitssprachen der Union gibt es ungefähr 60 weitere indigene und Dutzende nicht-indigene Sprachen, die von Migrantengemeinschaften gesprochen werden. Es ist diese Vielfalt, die die EU zu dem macht, was sie ist, nämlich kein Schmelztiegel, sondern ein Miteinander vielfältiger Unterschiede, das die zahlreichen Muttersprachen als Reichtum und als Weg zu mehr Solidarität und gegenseitigem Verständnis begreift.

Laut einer neueren Eurobarometer-Umfrage wird in der EU als Muttersprache Deutsch von 18, Englisch und Italienisch von je 13, Französisch von zwölf und Spanisch und Polnisch von je neun Prozent der Unionsbürger gesprochen. Als Fremdsprache dominiert allerdings eindeutig Englisch mit 34, gefolgt von Deutsch mit zwölf, Französisch mit elf sowie Spanisch und Russisch mit je fünf Prozent - Russisch liegt vor allem durch die letzte EU-Erweiterung 2004 so weit vorne. In Summe wird damit in der EU Englisch von 47, Deutsch von 30, Französisch von 23, Italienisch von 15 und Spanisch von 14 Prozent der Unionsbürger gesprochen.

Gespräche führen

Was den Prozentsatz an Fremdsprachenbeherrschung - um ein Gespräch mindestens in einer Fremdsprache führen zu können - betrifft, so liegen die Luxemburger mit 99 Prozent eindeutig in Führung, gefolgt von Letten und Maltesen (93), Litauern (90), Niederländern (91), Slowenen (89), Zyprioten (72) und Deutschen (62). In Österreich sprechen laut eigenen Angaben 58 Prozent der Staatsbürger zumindest eine Fremdsprache. Der Durchschnitt in der EU der 25 beträgt diesbezüglich 50 Prozent, wobei die Franzosen mit 45, die Italiener mit 36, die Briten mit 30 und die Ungarn mit 29 Prozent am unteren Ende der Skala liegen. Damit gibt immerhin die Hälfte der Unionsbürger an, in der Lage zu sein, ein Gespräch in mindestens einer Fremdsprache führen zu können. Ist das wirklich die Realität oder bloß ein frommer Wunsch?

Sprachenindikator

Um diese Frage einer tatsächlichen Mehrsprachigkeit der Unionsbürger korrekt beantworten zu können, bedarf es eines objektiven Maßstabes. Dementsprechend forderte bereits der Europäische Rat von Barcelona im März 2002 nicht nur den verpflichtenden Unterricht in mindestens zwei Fremdsprachen ab der frühen Kindheit, sondern auch die Erstellung eines Sprachkenntnisse-Indikators, um damit ein zuverlässiges System zur Ermittlung der tatsächlichen Fremdsprachenkenntnisse zur Verfügung zu haben. Dementsprechend legte die Kommission im August 2005 auch einen Vorschlag für einen Europäischen Indikator für Sprachenkompetenz vor. Dieser sollte vier Aspekte der fremdsprachlichen Kompetenz abdecken: Lese- und Hörverständnis, Sprechen und Schreiben. Grundlage dafür sollten die sechs Referenzniveaus des im Schoß des Europarates ausgearbeiteten "Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen" sein, wobei sich die Prüfung zunächst auf die fünf in der EU am häufigsten gelehrten Fremdsprachen - Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch - beschränken sollte. In den Schlussfolgerungen des Rates zu dem Europäischen Indikator für Sprachenkompetenz vom Juli 2006 (ABl 2006, C 172/1) wird diese Kommissionsinitiative voll unterstützt.