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Europäische Union und Libanon

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die militärische Intervention Israels im Libanon kann von den Vereinten Nationen nicht gestoppt werden. Schlägt damit für die Europäer die Stunde der Friedenssicherung? | Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) hat sich über den Tod von vier Blauhelmen in ihrem Unterstand im Südlibanon aufgrund eines direkten Beschusses durch israelische Kampfflugzeuge tief geschockt gezeigt. Trotzdem konnte er sich aber aufgrund einer amerikanischen Vetodrohung nicht einmal dazu durchringen, eine Feuerpause anzuordnen, damit flüchtende Zivilisten das Land heil verlassen können. Ist damit aber das universelle kollektive Sicherheitssystem der VN zur Zeit außer Funktion gesetzt? Man fragt sich, ob nicht an dessen Stelle etwa ein System regionaler kollektiver Sicherheit oder ein anderes ähnlich geartetes Kriseninterventionssystem treten könnte. Das für diesen Raum an sich zuständige System regionaler kollektiver Sicherheit nach Artikel 52 der Satzung der VN, nämlich die Arabische Liga, kam aus einsichtigen Gründen nicht zum Einsatz. Vor allem, da ihr mit dem Libanon nur eine der beiden Konfliktparteien angehört bzw. es sich beim "Kriegsgegner" Israels, der Hisbollah, überhaupt nicht um einen Staat, sondern nur um eine "Gruppe von Terroristen" handelt.


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Die EU hat mit ihren Petersberg-Maßnahmen gemäß Artikel 17 Abs. 2 EU-Vertrag die Möglichkeit eröffnet, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie sogar Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen in Ländern außerhalb der Union zu führen. Daher stellt sich die Frage, ob eines dieser Instrumente im Libanon zum Einsatz kommen könnte.

Militärische Intervention

Nachdem sich die EU durch die Gemeinsame Aktion 2003/423/GASP des Rates über die militärische Operation im Kongo (Operation Artemis) vom Juni bis September 2003 erstmals außerhalb Europas, und noch dazu ohne Unterstützung der NATO, militärisch engagierte, ist der Nahe Osten ebenfalls nicht "out of area" für einen friedenssichernden EU-Einsatz. Alles hängt nun von der Einigung der Mitgliedstaaten auf eine solche Maßnahme und der nachfolgenden Bereitschaft Israels ab, einer solchen zuzustimmen.

Die EU bemühte sich sofort nach Beginn der Kampfhandlungen eine einheitliche Linie zu finden, was ihr aber zunächst nicht gelang. Auf der Internationalen Konferenz über den Libanon von Rom vom 26. Juli wurde dann allerdings nicht nur ein humanitäres Paket (unmittelbare Hilfsmaßnahmen und finanzielle Unterstützung) geschnürt. Es wurden auch die Bedingungen für eine Feuereinstellung und eine Entsendung von Friedenstruppen in den Südlibanon ausgearbeitet. Die EU erklärte in diesem Zusammenhang ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Beteiligung an solchen Peace-keeping-Forces. Was die Evakuierungsmaßnahmen von Unionsbürgern betrifft, so wurden bis Ende Juli über 20.000 nach Zypern ausgeflogen, ein Rest von einigen hundert Personen hält sich aber noch immer im Südlibanon auf. Israel verweigerte aber bisher die Einräumung sicherer Fluchtkorridore.

Ein Palästinenserstaat

In den Schlussfolgerungen seines außerordentlichen Treffens am 1. August verurteilte der Rat der EU sowohl die Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel als auch das Bombardement von Kana und rief zu einem sofortigen Waffenstillstand auf. Zusätzlich betonte der Rat die Notwendigkeit der Entsendung einer internationalen Schutztruppe. Bemerkenswerterweise bedauerte er bei dieser Gelegenheit auch die anhaltende Gewalt in der Westbank und im Gaza Streifen und erinnerte daran, dass der Schlüssel für eine dauerhafte Befriedung der Situation im Nahen Osten im grundsätzlichen Bekenntnis zur Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates liegt.