Die freundliche Stimmung hielt nicht lange. Brüssel empfing nur wenige EU-Staats- und Regierungschefs mit Sonnenschein, bevor es wieder zu regnen anfing. Eine Einigung auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zeichnete sich bei dem gestern begonnenen EU-Gipfel dennoch ab.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vielleicht sah Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Weihnachtsmänner nicht. Doch auf seinem Weg vom Brüsseler Flughafen waren die Figuren, ein Symbol für das nahende christliche Weihnachtsfest, unübersehbar. Manche lebensgroß, einige kleiner, kletterten sie auf die Balkone geschmückter Häuser in der belgischen Hauptstadt.
Zu einem Fest des Friedens hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs allerdings nicht versammelt. Vielmehr wurde bis spät in die Nacht um einzelne Sätze der Schlusserklärung gefeilscht. Dass die EU Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnehmen wolle, war zwar so gut wie sicher. Offen blieben jedoch Datum und mögliche zusätzliche Auflagen für Ankara.
Mit der "Ergebnisoffenheit" der Gespräche, die unter anderem von Österreich gefordert wird, könnte sich Ankara abfinden. "Die Verhandlungen können ohnehin jederzeit abgebrochen werden", erklärte Erdogan kurz vor Beginn. Umstritten blieb aber, ob einzelne EU-Staaten "maximale Freiheit" zum Schutz ihrer Arbeitsmärkte vor Arbeitnehmer-Freizügigkeit erhalten.
Einmal mehr sprach sich Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso "gegen neue politische Bedingungen" an Ankara aus. Für die Türkei dürfe es in der EU "keinen Mittelweg" geben - das Ziel "muss die volle Mitgliedschaft sein". Gleichzeitig forderte er das Land auf, die Republik Zypern anzuerkennen.
Tatsächlich könnte schon bald eine neue Friedensinitiative für die geteilte Mittelmeerinsel starten. Zwar lehnte es Ankara bisher ab, Zypern anzuerkennen und forderte stattdessen Unterstützung für den isolierten türkischen Norden der Insel, was wiederum vom griechischen Süden blockiert wird. Doch sollte der Türkei als Bedingung auferlegt werden, vor dem Beginn von Beitrittsverhandlungen - möglicherweise im Herbst 2005 - Zypern anzuerkennen, könnte Ankara den Druck verstärken, eine Lösung zu finden.
Diese sollte schon im April forciert werden, auf Basis eines nach UNO-Generalsekretär Kofi Annan benannten Plans, der die Etablierung eines Bundesstaats vorsah. Während sich aber die türkischen Zyprioten mehrheitlich dafür aussprachen, lehnte die Mehrheit der griechischen Zyprioten den Annan-Plan ab. Der griechische Süden wurde dennoch Mitglied der EU.
Doch die Signale für eine Wiederaufnahme der Gespräche mehren sich. Zwar soll sich Annan, der heute beim EU-Gipfel eintrifft, offiziell nicht mit Zypern befassen. Aber im UN-Budget für das kommende Jahr hat er die Wiedereröffnung eines Büros auf Zypern bereits berücksichtigt.