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Europapolitik im Hohen Haus - wenn es die Sache denn ernst nimmt

Von Walter Hämmerle

Analysen

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Keine Frage: Inszenieren können wir. Wenn erstmals ein EU-Abgeordneter im österreichischen Parlament das Wort ergreift, dann soll das bitte schön nicht der siebente Zwerg von links (oder rechts, je nach politischer Vorliebe) sein. Nein, als erster EU-Parlamentarier sprach niemand Geringerer als Jerzy Buzek; der liberal-konservative Pole ist derzeit Präsident des EU-Parlaments.

Möglich wurde der Auftritt Buzeks im Nationalrat erst durch den Lissabonvertrag, der den EU-Abgeordneten Rederecht einräumt. Diese jüngste Reform des europäischen Institutionengefüges hatte unter anderem zum Ziel, die Einbindung der nationalen Parlamente in die Entscheidungen der EU zu verstärken. Das ist natürlich uneingeschränkt zu begrüßen, allerdings hat schon bisher niemand Österreichs Parlament dran gehindert, die heimischen EU-Mandatare einzuladen . . .

Inhaltlich jedoch bedeutet der Lissabonvertrag tatsächlich einen Quantensprung: Nationale Parlamente haben nun das Recht, gegen Gesetzesvorschläge der EU-Kommission Einspruch zu erheben, falls sie der Ansicht sind, das Brüsseler Vorhaben verletze das Subsidiaritätsprinzip. Dieses besagt, dass die EU nur in jenen Bereichen Vorschriften erlassen darf, die nicht besser auf regionaler oder staatlicher Ebene geregelt werden können.

Erhebt ein Drittel der 27 nationalen Parlamente innert acht Wochen Einspruch, muss die Kommission ihren Vorschlag überdenken. Dies wird im EU-Jargon als "Gelbe Karte" bezeichnet". Die "Orange Karte" wird gezückt, wenn die Hälfte der Parlamente Bedenken hat; in diesem Fall mus die Kommission begründen, warum der Vorschlag ihrer Ansicht nach nicht gegen das Gebot der Subsidiarität verstößt, das letzte Wort haben dann EU-Parlament und EU-Rat.

Vor Lissabon gab es keine direkte Mitsprachemöglichkeit der Parlamente. Noch dazu wurde die Macht der nationalen Volksvertretungen durch den Integrationsprozess kontinuierlich beschnitten. Immerhin ein kleines bisschen Einfluss können sich die Parlamente nun zurückerobern.

"Wenn man es politisch wirklich ernst meint, ist das ein großer Fortschritt, denn die EU-Kommission wird auch dann bereits auf Bedenken der nationalen Parlamente reagieren, wenn die Quoten gar nicht erreicht werden", erklärt dazu der Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz.

Er spricht den entscheidenden Punkt an: den politischen Willen zur Mitsprache. Fehlt dieser, sind alle neuen Möglichkeiten Makulatur. Bemerkenswerterweise war es ausgerechnet der vielgeschmähte österreichische Bundesrat, der als erstes Parlament in der EU eine Stellungnahme abgab.

Europäisches Engagement aus Sorge um das eigene politische Überleben als Institution: Vielleicht nicht gerade die beste aller Motivationen, aber es gäbe auch noch deutlich schlechtere.