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Europarat begibt sich auf Sinnsuche

Von Martyna Czarnowska, Warschau

Europaarchiv

Es ist erst das dritte Gipfeltreffen für die älteste und größte Länderorganisation Europas. Zwar wollen die Staats- und Regierungschefs bei ihrer am Montag begonnenen Zusammenkunft in Warschau in erster Linie Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten beraten. Doch gleichzeitig müssen sie die Rolle des Europarates selbst neu definieren.


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Die Globalisierungskritiker durften doch aufmarschieren. Doch der - erst in den letzten Tagen erlaubte - Demonstrationszug konnte kaum in die Nähe der 46 Delegationen kommen, die in Warschau zu einem zweitägigen Treffen zusammen gekommen sind. Abgeriegelt war die Altstadt, in einem Zelt im Hof des Königsschlosses fanden sich die Politiker zu ihren Beratungen ein. Währenddessen sollten rund 9.000 Polizisten für Ordnung sorgen.

Was die Demonstranten anprangern - beispielsweise die massive Verletzung von Menschenrechten in Tschetschenien und in der Türkei - ist auch dem Europarat Grund zur Klage. Immerhin ist das wichtigste Abkommen, das der Staatenbund verabschiedet hat, die Europäische Menschenrechtskonvention. Mit seinem Urteil, der kurdische PKK-Führer Abdullah Öcalan habe in der Türkei keinen fairen Prozess erhalten, hat der Menschenrechts-Gerichtshof im Straßburg erst vor wenigen Tagen Ankara erneut unter Druck gesetzt.

Dennoch hat der Europarat mit dem Ruf zu kämpfen, politisch bedeutungslos geworden zu sein. Vor zehn Jahren noch konnte er auf die Brückenfunktion verweisen, die er zwischen Ost- und Westeuropa spielte. Anfang der 90er-Jahren - als eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union noch in weiter Ferne schien - traten Länder wie Polen, Estland, Slowenien oder Rumänien bei. Doch nach der Aufnahme in die EU brauchen die Staaten Osteuropas heute keinen Vermittler mehr.

Dass die Abwesenheit mancher Staat- und Regierungschefs - die Premierminister Spaniens oder Italiens blieben dem Treffen ebenso fern wie Russlands Präsident Wladimir Putin und ließen sich von ihren Außenministern vertreten - auf die steigende Bedeutungslosigkeit des Europarats hindeute, weist Generalsekretär Terry Davis jedoch zurück. "Wir wachen über die Einhaltung der Menschenrechte. Wir sind deren Schützer in Europa", erklärte er in einem Interview mit der Tageszeitung "Rzeczpospolita" . Falls jemand finde, dass dies nicht der Fall sein könnte, dann solle er doch die neue Regierung in der Ukraine fragen.

Europa entwickle sich in eine gute Richtung und erlebe die besten Jahren seiner Geschichte, befand denn auch Polens Präsident Aleksander Kwasniewski in seiner Rede zur Gipfeleröffnung. Doch auch er unterstrich die große Rolle der EU-Erweiterung.

So muss sich der Europarat zwischen UNO, OSZE und EU neu positionieren. Nicht zuletzt deswegen plädieren mehrere Länder für eine Stärkung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Diesem könnte ebenso viel Bedeutung zukommen, wie den drei Konventionen - zur Bekämpfung von Terrorismus, der organisierten Kriminalität und Geldwäsche -, die der Europarat in Warschau unterzeichnen will.