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"Europas Anstrengungen nicht herunterreden"

Von Thomas Seifert aus Tinajin

Politik

Dänemarks Regierungschefin tritt in China als Anwältin der Eurozone auf.


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Tianjin. Das Thema "Eurokrise" ist auch heuer beim World Economic Forum in Tianjin - der Sommerausgabe des Weltwirtschaftsforums von Davos - so etwas wie der Lieblings-Horror-Blockbuster der in der unweit von Peking gelegenen Hafenstadt versammelten Wirtschaftseliten. Die Rollen am Podium sind verteilt: Halle Thorning-Schmidt, Premierministerin von Dänemark, fällt die Aufgabe zu, Anwältin für die Europäische Union und die Eurozone zu spielen - dabei verwendet Dänemark noch immer die gute, alte Dänenkrone.

"Wenn ich außerhalb Europas reise, dann sehen mich die Menschen mit traurigen Augen an und fragen mich, wie wir Europäer denn aus dem Schlamassel herauskommen wollen", sagt Helle Thorning-Schmidt. "Aber Europa hat schon vieles getan, um die Krise zu überwinden, und man sollte diese Anstrengungen nicht herunterreden", gibt sich die sozialdemokratische Regierungschefin optimistisch.

Das Jahr 2013 soll Wendepunkt markieren

Die Mitgliedsländer der Europäischen Union stünden noch immer vor schwierigen Aufgaben, die Arbeitslosenrate liege bei elf Prozent und sei viel zu hoch. Es stünden weiterhin viele schmerzliche Entscheidungen an, "aber 2013 geht es endlich aufwärts". Von außen seien die Maßnahmen der Länder der Union oftmals nicht sichtbar: die geplante Banken-Union, die geplante europaweite Bankenregulierung und -überwachung, der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM und die weitere Integration der Wirtschaftspolitik.

Am wichtigsten sei aber die Ankündigung der Europäischen Zentralbank gewesen, kurzfristig fällige Staatsanleihen in unlimitierter Höhe aufzukaufen. Damit hätten die EU-Länder gezeigt, dass sie bereit sind, "die Extra-Meile zu gehen, um den Euro zu retten". Denn dieser Schritt sei eine wichtige Hilfe für die Länder mit den höchsten Schuldenstand: "Aber diese Länder müssen strukturelle Reformen angehen." Die studierte Politologin hat einen Rat für die Anwesenden CEOs parat: "Sobald sie die ersten zarten Anzeichen einer Erholung sehen, ist der Zeitpunkt gekommen, um in Europa zu investieren."

Min Zhu, chinesischer Vizedirektor des Internationalen Währungsfonds (IMF), unterstützt die Argumentation der dänischen Premierministerin Halle Thorning-Schmidt. "Europa hat Griechenland vom Abgrund weggeführt, die Europäer haben bereits eine Menge getan, alles deutet in die richtige Richtung, daher sollten wir Vertrauen in die Europäische Union haben."

"Ein Pferd kann nicht fliegen"

Der frühere mexikanische Präsident (1994 bis 2000) und heutige Direktor des Yale Center for the Study of Globalisation, Ernesto Zedillo Ponce de León, bringt die Kritik der meisten Länder außerhalb der Eurozone auf den Punkt: Die lateinamerikanische Erfahrung habe gezeigt, dass man sich eine "verlorene Dekade" einhandelt, wenn man "zu spät und zu langsam" handelt, so wie das die Europäer getan hätten.

Die Reaktion der Thorning-Schmidts: "Europa ist nicht einfach ein Land. Wenn man Europa bittet, sofort und entschieden zu reagieren, dann ist das so, als ob man einem Pferd befiehlt, zu fliegen." Die Probleme in Europa seinen immer mittels Durchwursteln gelöst worden - das sei diesmal nicht anders.

Ernesto Zedillo meint, dass Budgetdisziplin für die Club-Med-Staaten nicht ausreiche. "Das Problem ist Kapitalflucht: aus Spanien, in Kürze vielleicht aus Italien." Europa müsse die Stabilität seines Bankensektors stärker im Auge haben, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit Griechenland, Spaniens, Italiens oder Portugals müsse verbessert werden. Die Crux: All diese Dinge sollten gleichzeitig geschehen: Wenn man versuche, sequenziell ein Problem nach dem anderen abzuarbeiten, dann seien die Sanierungskosten höher als notwendig. "Deutschland zahlt dann eben einen viel höheren Preis", erklärt Mexikos ehemaliger Staatschef.