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Europas Anziehungskraft

Von Martyna Czarnowska

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Für die Staaten des Westbalkan hat die EU kaum an Attraktivität eingebüßt.


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Austrittsgelüste hin oder her - am Zerbrechen ist die Europäische Union nicht. Auch wenn es in einigen Ländern Überlegungen gibt, sich von der Gemeinschaft zu lösen, hat diese für andere Staaten kaum etwas an Attraktivität eingebüßt. Und auch wenn der Präsident der EU-Kommission eine Erweiterung der Union in seiner Amtszeit ausgeschlossen hat, führt der für die Verhandlungen zuständige Kommissar die Gespräche mit den Beitrittskandidaten weiter. Zwar hat das britische Votum über ein Ausscheiden der Insel aus der EU die öffentliche Debatte über eine Vergrößerung der Gemeinschaft noch weiter in den Hintergrund gedrängt. Doch auf regionaler und Expertenebene ist sie keineswegs verstummt.

Auch Spitzenpolitiker nehmen immer wieder daran teil. So ist es nicht zuletzt ein Signal der Ermunterung an potenzielle EU-Mitglieder, wenn die Staats- und Regierungschefs mehrerer EU-Länder am Montag in Paris mit ihren Amtskollegen aus den Westbalkan-Staaten zusammenkommen. Es ist die dritte Auflage einer Gipfelkonferenz, die zum ersten Mal in Berlin und danach in Wien stattgefunden hat. Neben Gastgeber Frankreich sind Deutschland, Österreich, Kroatien, Italien und Slowenien vertreten; die Partnerländer sind Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, der Kosovo, Montenegro und Mazedonien. Die sechs befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Annäherung an die EU: Während etwa der Kosovo noch nicht einmal den Status eines Beitrittskandidaten hat, wurden in den Gesprächen mit Montenegro erst am Donnerstag weitere zwei Verhandlungskapitel aufgeschlagen. Serbien muss damit rechnen, dass das benachbarte Kroatien bei Streitigkeiten jederzeit mit einer Blockade der Gespräche drohen kann. In Bosnien-Herzegowina kann das mit Mühe vereinbarte Annäherungsabkommen nicht in Kraft treten, weil sich die Volksgruppen in Zwistigkeiten verzetteln. Auf Mazedoniens Weg in die EU wiederum türmen sich Hürden, die einerseits das innenpolitische Chaos und andererseits ein Namensstreit mit Griechenland angehäuft haben.

Dennoch will die EU die Länder auf diesem Pfad halten und in deren Bemühungen um Reformen unterstützen - beziehungsweise den Druck dazu aufrechterhalten. Die Hilfe ist ebenfalls eine finanzielle. Knapp zwölf Milliarden Euro sollen in der laufenden Finanzierungsperiode bis zum Jahr 2020 in die Westbalkan-Länder sowie die Türkei fließen. Das Geld soll dazu dienen, Infrastruktur im Verkehr, im Energie- oder Umweltschutzbereich zu verbessern, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern aber auch die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Gerade die Verbesserung der ökonomischen Situation, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in einer Region, in deren Teilen jeder zweite Jugendliche keinen Job hat, sei von großem Belang, sagt Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Denn: "Die Aufnahme neuer Mitglieder darf nicht zu einer Belastung für die älteren werden."

Bis zu dem Zeitpunkt, wo dies überprüfbar ist, wollen etliche Menschen allerdings nicht warten. In ihren Ländern sehen sie kaum Perspektiven für sich, in der EU schon. Viele machen sich daher bereits jetzt auf den Weg dorthin.