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Mehr als zuvor würde es in der Syrien-Flüchtlingskrise einer Kooperative mit den EU-Nachbarstaaten bedürfen.
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Der Syrien-Krieg hat die Europäische Union tief ins Mark getroffen. Vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel muss die bittere Erkenntnis hinnehmen, dass Europa bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf keinen zweiten "Marshall-Plan", auf keine Schützenhilfe von jenseits des Atlantiks zu hoffen braucht. Im US State Department beharrt man nämlich auf einen Feldzug gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, anstatt mit vereinten Kräften das Vordringen von IS-Terroristen im Nahen Osten und nach Europa einzudämmen.
Mehr als zuvor würde es jetzt einer Kooperative mit den EU-Nachbarstaaten bedürfen.
Doch mit der Peripherie, deren Stabilität aus geopolitischer Sicht für Europa wesentlich ist, hat es sich Brüssel verscherzt. Im Einvernehmen mit der EU liefert sich die Nato im Baltikum und im Schwarzen Meer ein Kräftemessen mit Russland, als stünde der Dritte Weltkrieg bevor, anstatt Truppen dorthin zu entsenden, wo sie am meisten nötig wären - an der syrisch-türkischen Grenze sowie im Kurdengebiet, wo der IS ungehindert ganze Städte verwüsten konnte. An eine Schutzzone denkt man erst gar nicht, und die Vereinten Nationen beweisen wie einst schon während des Völkermordes in Ruanda 1994 ihr Unvermögen, rechtzeitig zu handeln. Erst ein vermutetes Eingreifen Russlands im Nahen Osten alarmiert die höchsten US-Kreise, die um ihren Machteinfluss in der ohnedies bereits destabilisierten Region bangen.
Selbst das mangelnde Engagement des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im "Kampf gegen den Terror" wird von all jenen, die Assad verurteilen, hingenommen. Aus verletztem Stolz und Machtgier hat Erdogan dem Islamismus alle Tore nach Europa geöffnet und seinen persönlichen Rachefeldzug gegen die Kurden fortgesetzt.
Im Westen empörte man sich zwar halbherzig darüber, zu stärkeren diplomatischen Maßnahmen wurde in Washington und Brüssel aber nicht gegriffen.
Die bis vor kurzem kaum regulierte Einreise von Menschen, deren Identität und eigentliche Motivation man nicht überprüfen kann, stellt logischerweise für die gesamte EU und den Balkan ein zusätzliches Sicherheitsrisiko dar. Das ist womöglich Großbritannien und Frankreich eher bewusst als Deutschland und Österreich, wo Politiker medienwirksam an Werte wie "Menschlichkeit" appellieren, gleichzeitig aber eine Bewaffnung fanatischer Rebellen aktiv unterstützen oder zumindest dulden.
Der Europäischen Union droht allmählich eine Legitimationskrise, da sich deren politisches Vorgehen in Widersprüchlichkeiten verhakt: Einerseits marschiert man solidarisch im Gedenken an die Opfer des Pariser Anschlags von "Charlie Hebdo" auf und will sogar Gepäckkontrollen in Zügen einführen. Andererseits dürfen nicht wenige Widerstandskämpfer ohne Kontrolle alle Binnengrenzen passieren, da EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trotz gewaltiger außenpolitischer Herausforderungen an Schengen festhalten möchte.
Bisher hat sich die EU als "Friedensmacht" verstanden. Im Anbetracht der aktuellen Ereignisse und eines geplanten Eingreifens in Syrien deutet darauf allerdings nur noch sehr wenig hin.