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Europas brutaler Zynismus

Von Peter Bochskanl

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Samstag abends im ZDF einmal kein Krimi, in dem nur Action und Gewalt regieren. Dennoch zeigte "Unter Verdacht - Die elegante Lösung" mehr zynische Brutalität als so manche serielle Blutoper: die eines reichen Europa, das sich in seiner Wohlstandsfestung verschanzt und Bootsflüchtlinge mit allen Mitteln fernhält. Ein überfülltes Boot mit Afrikanern wird vom Schlepper nach einem Motorschaden in Stich gelassen, von einem Schiff der europäischen Grenzschutzagentur entdeckt, Gepäck und Proviant der Flüchtlinge werden über Bord geworfen, das Boot wird leckgeschlagen; Fischer, die das Flüchtlingsboot in den rettenden Hafen schleppen, werden verhaftet, die Boatpeople zur "Repatriierung" interniert.

Senta Berger als Kommissarin klärt zwar den Mord an einem Mitglied der Besatzung des EU-Patrouillenboots auf, der die unhaltbaren Zustände aufdecken wollte, und sie erringt einen kleinen menschlichen Erfolg. Das System bringt sie aber kaum ins Wanken. Wenn sich Europa heute vor einer Destabilisierung durch massenhaften Zuzug von durch Unterdrückung und Armut in eine verzweifelte Flucht getriebenen Menschen fürchtet, dann hat es sich das selbst zuzuschreiben. Immer herrscht noch die Kolonialismusgesinnung, die eher an Ausbeutung interessiert ist, aber es jahrzehntelang versäumt hat, den Menschen in ihrer Heimat ein Leben ohne Verfolgung und Hunger zu ermöglichen. Trotz Tausender selbstloser Engagierter in den NGOs ist die Entwicklungshilfe nur ein viel zu kleines Feigenblatt geblieben.