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Europas Energiewende

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

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Als Europa der großen Ambition präsentierte sich die EU am Mittwoch in Brüssel. EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete verkündete, dass Europa als erste Volkswirtschaft der Welt bis 2050 klimaneutral werden soll. Bis Mitte des Jahrhunderts soll auf dem Kontinent eine völlige Abkehr von Öl, Kohle und Gas gelingen, alternative, erneuerbare Energiequellen sollen bis dahin als Treibstoff oder Stromlieferanten dienen.

Aber geht das? Es wird gehen müssen. Denn der Klimawandel schreitet schneller voran als gedacht, die Erderwärmung geht dramatisch schnell vonstatten. Österreich wäre prädestiniert, hier eine Vorreiterrolle in der Europäischen Union zu einzunehmen: Schon heute stammen mehr als 33 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen, Österreich liegt damit hinter Schweden, Finnland und Lettland auf Platz vier. Das Land hat eine herausragende Position in den Schlüsselindustrien Wasserkraft- und Biomassekraftwerksbau, in der Automobilindustrie und auch im Eisenbahnbausektor. Somit ist diese EU-Initiative durchaus geeignet, dem Wirtschaftsstandort Österreich wichtige Impulse zu geben. Und so könnten sich nicht nur Umweltschützer, sondern auch Unternehmer freuen.

Zu einer tiefgreifenden Energiewende gibt es keine Alternative, das Ende des Ölzeitalters ist zumindest in den ersten Konturen sichtbar: Selbst eingefleischte Benzinbrüder halten mit ihrem Interesse für Elektroautos wie den BMW i3 oder das neueste Tesla-Modell nicht mehr hinter dem Berg. "Das Zeitalter der Steinzeit ist nicht aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen; das Ölzeitalter wird nicht erst dann zu Ende gehen, wenn der letzte Tropfen Öl gefördert worden ist", sagte einst der Scheich Ahmed Zaki Yamani, der als Ölminister Saudi-Arabiens von 1962 bis 1986 die zentrale Figur des internationalen Erdölgeschäfts war.

Jene Staaten, die die Herausforderung der Energiewende zuerst annehmen, werden einen wichtigen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Volkswirtschaften haben. Der Tag wird kommen, an dem man in Shanghai, Shenzhen oder Peking eine Autozulassung nur noch für ein Elektrofahrzeug bekommt - welches Unternehmen wird dann mit einem entsprechenden Angebot punkten können?

Es gibt auch noch ein weiteres wichtiges Argument, das vor allem Sicherheitsexperten - sie sind in den wenigsten Fällen eingefleischte Ökos - überzeugen könnte: Erneuerbare Energieträger leisten einen Schlüsselbeitrag zur nationalen Sicherheit. Denn jede Kilowattstunde, die in Europa aus Erneuerbaren erzeugt wird, bedeutet, dass weniger Geld an die russische Gazprom - und damit an Wladimir Putin - oder an das Königshaus der Saud-Dynastie fließt.