Die Erbschaftssteuer hält kaum, was sie verspricht und der EU bereitet sie Sorgen.
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Wien. Das Nein der ÖVP zur Wiedereinführung einer Erbschafts- und Vermögenssteuer war im Wahlkampf so deutlich, dass Vizekanzler Michael Spindelegger eine solche Abgabe im Fernsehen einmal sogar als "krank" bezeichnete. Dabei war die Erbschaftssteuer in Österreich von 1955 bis 2008 in Kraft, wobei die Volkspartei in jener Zeit weit weniger leidenschaftlich für eine Abschaffung als gegenwärtig gegen eine Wiedereinführung argumentierte. Aufgehoben wurde die Erbschaftssteuer auch nicht aus politischer Überzeugung, sondern durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Grund war (und ist) der veraltete Einheitswert, der bei der Bewertung von Grundstücken herangezogen wird. Dadurch kam es zu verfassungswidrigen Ungleichbehandlungen.
Österreich ist damit, wenn auch unbeabsichtigt, einem Trend gefolgt. Denn auch Portugal (2003), die Slowakei (2004), Schweden (2004) und Rumänien (2011) haben diese Abgabe abgeschafft, 18 EU-Staaten heben sie nach wie vor ein. Doch kein Trend ohne Gegentrend: Es gibt Wünsche, wenn auch zaghafte, eine EU-weite Harmonisierung bei der Erbschaftssteuer hinzubekommen, um Steuerwettbewerbe innerhalb der Union einzudämmen.
Die EU-Kommission hat zwar vor zwei Jahren explizit festgestellt, dass sie in diesem Fall nicht in die nationalstaatliche Steuerhoheit eingreifen will, allerdings geht sie seit 2011 gegen das wachsende Problem von Doppelbesteuerungen und Steuerdiskriminierung innerhalb der EU vor. Dass mittlerweile rund 15 Millionen Unionsbürger nicht in dem Land ihrer Herkunft leben, ist ebenso eine Realität wie der stark zunehmende grenzübergreifende Immobilienbesitz sowie das ebenfalls volatile Finanzvermögen.
Es gibt zwar Abkommen zwischen einzelnen Staaten, die eine Doppelbesteuerung verhindern, aber eben nicht überall. Die EU-Kommission berichtete von Einzelfällen, bei denen durch den Zugriff von zwei oder mehreren Ländern auf eine Erbschaft der gesamte Bestand aufgebraucht wurde. Dass einige Staaten Vermögen im Ausland, das bei Erbschaften anfällt, mit anderen Sätzen besteuern, ist für die Kommission generell nicht EU-rechtskonform.
Geringe Einnahmen
In den meisten europäischen Staaten wurde in den vergangenen Jahren an der Erbschaftssteuer herumgebastelt, teilweise, wie etwa in Deutschland, nach Urteilen von Höchstrichtern. Österreich hat das damals von mehreren Seiten, auch von Befürwortern dieser Steuer als reformüberfällig bezeichnete Gesetz, nicht repariert.
Die Einnahmen variierten damals, mit einem Volumen von 130 bis 170 Millionen Euro pro Jahr war ihre Bedeutung aber auch relativ gesehen geringer als in anderen Ländern. Eine Studie aus dem Jahr 2004 errechnete einen Anteil dieser Steuer am Bruttoinlandsprodukt von 0,08 Prozent, in Frankreich lag sie damals bei 0,55 Prozent.
Welche Substanz mit welchem Satz und welchen Freibeträgen besteuert wird, ist innerhalb Europas sehr unterschiedlich. Generell gilt: Je näher das Verwandtschaftsverhältnis, desto geringer der Steuersatz, bei Erbschaften oder Schenkungen an Ehepartnern fällt die Steuer in einigen Ländern zur Gänze weg.
Was die Staaten eint, ist die prinzipielle Zielsetzung der Erbschaftssteuer: Sie soll Einnahmen generieren, aber auch eine Umverteilung bringen. Ihre Wirkung ist allerdings beschränkt. Die Vermögensungleichheit in Europa steigt dennoch an, die Einnahmen sind selbst in Frankreich, wo nicht verwandte Erben bis zu 60 Prozent abgeben müssen, eher gering. In Frankreich rechnet man zwar mit acht bis neun Milliarden Euro pro Jahr, vom gesamten Steuervolumen sind das jedoch nicht einmal drei Prozent.
Teil der Verhandlungen
Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb die SPÖ schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen die im Wahlkampf propagierte Forderung nach einer Wiedereinführung der Erbschaftssteuer als nicht mehr so dringlich erachtet, zumindest war das Aussagen von Wiens Bürgermeister Michael Häupl zu entnehmen. Eine Steuerreform, die laut SPÖ-Rechnung rund drei Milliarden Euro kosten würde, wäre auch weder mit einer Erbschaftssteuer noch mit zusätzlichen Vermögenssteuern zu finanzieren.
In Zeiten der angespannten Haushaltsbudgets ist freilich jeder Euro vonnöten, weshalb derzeit kaum zu erwarten ist, dass in nächster Zeit weitere EU-Länder die Erbschaftssteuer außer Kraft setzen. Über die Jahrzehnte sind allerdings durch diverse Novellierungen oder - wie in Italien - umfassende Neuschreibungen die Einnahmen gesunken. Bei geerbten Betriebsvermögen gibt es fast überall großzügige Steuerbefreiungen, um Arbeitsplätze zu erhalten und Familienbetriebe nicht zu gefährden. In den Vereinigten Staaten ist dies aber beispielsweise gar nicht vorgesehen.
Auch wenn sich die ÖVP gegen Vermögenssteuern per se wehrt, ist die Wiedereinführung nicht gänzlich ausgeschlossen. Einige Staaten werten eine Erbschaft als Einkommen, nicht als Vermögen. Doch große Sprünge wird eine solche Abgabe aber dennoch nicht erlauben. Aber 200 Millionen sind halt auch nicht nichts.