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Europas Gelassenheit

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Er ist der dienstälteste Regierungschef eines EU-Landes, war bei der Euro-Einführung genauso dabei wie jetzt bei der Euro-Krise: Jean-Claude Juncker, Dauerabonnent aufs Amt des luxemburgischen Ministerpräsidenten. Dass er nun in Wien einen Orden bekam, gehört zu Österreich wie das diskrete Geld zu Luxemburg.


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Von Juncker stammt einer der bemerkenswertesten Sätze, die in der Krise von einem Politiker gesprochen wurden: "Wir wissen genau, was zu tun wäre. Was wir nicht wissen ist, wie wir wiedergewählt werden, wenn wir es getan haben."

Also quält sich Europa von Ratstreffen zu Ratstreffen, aus konkreten Vorschlägen (Bankenaufsicht, Pensionsreform) werden "politische Vorschläge". Und während China und Brasilien davonziehen, versuchen die Kommissionsbeamten in Brüssel die weichen politischen Erklärungen der Regierungschefs wieder zu konkreten Vorschlägen zu machen.

Junckers augenzwinkernde Souveränität könnte allerdings Europa dabei als Vorbild dienen. Denn abseits der Euro-Krise, den hohen Staatsschulden und den vielen unerledigten Themen ist die EU nach wie vor die stärkste Volkswirtschaft der Welt. Wenn das Wirtschaftswachstum in Europa höher wäre, würde die gesamte Weltwirtschaft erheblich profitieren.

Und auch wenn alles langsam geht (zu langsam), Europa bewegt sich doch. Bei der Bankenaufsicht gibt es erstmals Bewegung bei den bisher ziemlich störrischen Briten. Frankreich wird sich wohl bei der Agrarreform bewegen, auch dies kam bisher nicht vor. Deutschland wird einsehen müssen, dass es nicht den Rest Europas mit der starken Exportindustrie überrollen kann.

Wesentlich allerdings wird sein, ob es endlich gelingt, den Binnenmarkt weiterzuentwickeln. Beim Patentverfahren - einem der größten Hemmnisse für europäische Forscher - tut sich was. Es wird nicht anders möglich sein, als in möglichst vielen Bereichen einheitliche Verfahren und Normen durchzusetzen. Das gilt aber auch für den Arbeitsmarkt und die Steuerpolitik. Juncker ist für Mindestlöhne und Mindeststeuern in der EU. Das gehört zum Binnenmarkt dazu. Wenn Europa so stark zusammenwachsen kann, wird es bestehen.

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