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Frankreich schreit auf und droht das EU-Mandat zum Freihandelsabkommen mit den USA zu blockieren. Es geht um den Medien- und Filmbereich. Frankreich fürchtet, dass bei freiem Handel und verbotenen Förderungen die großen US-Konzerne der Branche - von Google bis Time Warner - Europa einfach überrollen. Europas Identität würde verloren gehen, so die französischen Befürchtungen. Nun, das hat was - und ist nicht einmal der größte Streitpunkt im geplanten Abkommen. Das ist wohl der Agrarhandel. Wenn die beiden Systeme USA und EU ihre jeweiligen Bestimmungen sanktionieren, wird es auch in Europa mit Chlor desinfiziertes Hühnerfleisch zu kaufen geben, vom Reizwort Gen-Mais gar nicht zu reden.
Das Freihandelsabkommen, das ohne jede Frage transatlantische Wachstumschancen birgt und asiatische Größen wie China besser in den Griff bekommen würde, steht daher vor allem vor einem gesellschaftlichen Akzeptanzproblem. Ob die Wirtschaftspolitiker und Handelsexperten das auf der Rechnung haben und verstehen, muss bezweifelt werden.
Sie sollten es aber mitdenken, denn gegen den Willen der Bürger lässt sich wohl keine derart richtungsweisende Entscheidung mehr treffen. Die Deutschen machen sich derzeit noch lustig über die Franzosen, die ihre Filmwirtschaft bis zum Äußersten verteidigen. Wenn es um geklontes Fleisch geht, wird dagegen der Aufschrei in Deutschland (und auch Österreich) beträchtlich sein. Digitale, audiovisuelle Wirtschaft und die Landwirtschaft aus dem Freihandelsabkommen aber auszunehmen, macht das Projekt obsolet - da werden die USA nicht mitspielen.
Der EU-Kommission ein Verhandlungsmandat für das Abkommen zu geben, wäre trotzdem das Gebot der Stunde. Aber Europa und die USA müssen sich klar werden, dass gemeinsame Geschichte schwächer ist als die großen gesellschaftlichen Unterschiede, die es mittlerweile gibt. Der US-Spionage-Spähskandal unter Mitarbeit der großen Internet-Konzerne ist in Europa gar nicht gut angekommen. Im Agrar- und Medienbereich müssten sich also vor allem die USA bewegen - aber die zeigen wenig Bereitschaft dazu. Es kann also sein, dass ein wirtschaftlich sinnvolles Projekt scheitert, weil die Menschen dem einfach nicht zustimmen wollen. Das kennt Europa gut - noch ein Gegensatz zu den USA...