Zweite Europäische Jugendwoche in Brüssel. | Jugendliche fordern mehr Mitbestimmung. | Österreichische Präsidentschaft als Chance? | Brüssel. "Wir sind alle Kinder dieser Erde." Mit viel europäischem Pathos läutete am vergangenen Montag eine belgische Musikgruppe die zweite Europäische Jugendwoche in Brüssel ein.
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Unter dem Motto "Die Jugend hat das Wort" haben noch bis Sonntag Delegationen aus allen 25 Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, ihre Interessen vor Kommission und EU-Parlament geltend zu machen. Als Einstieg wurden am Montag die "European Youth Awards" an sozial besonders engagierte Jungeuropäer verliehen. Unter den Preisträgern waren das dänische Projekt "girlstalk", das ein Beratungstelefon für Mädchen in Not eingerichtet hat und die litauische Initiative "Europabus"
Figel: "Jugend ist unsere Gegenwart und Zukunft "
Stolz zeigte sich Bildungskommissar Jan Figel, der die Auszeichnungen überreichte: "Die Jugend ist unsere Gegenwart, unsere Zukunft und ein Geschenk für die Gesellschaft", meinte Figel - und stieß damit auf wenig Verständnis. Denn trotz zahlreicher EU-Strategien wie dem Erasmus-Programm für den intereuropäischen Studentenaustausch gibt es nach Ansicht vieler Jugendlicher noch viel zu wenig Anerkennung ihrer Interessen in der Union.
Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht noch Handlungsbedarf - allerdings appellierte er auch an die Eigeninitiative der Jugendlichen: "Ich möchte nicht, dass euch die Kommission mehr Macht verleihen muss, denn ihr habt schon genug Möglichkeiten, ihr müsst sie nur nützen." Natürlich befände sich die Europäische Union derzeit in einer Phase der allgemeinen Skepsis und Unsicherheit, mit vereinten Kräften könne man dies jedoch überwinden.
Dass angesichts der zahlreichen deutschen Studenten, die seit Oktober an österreichischen Universitäten studieren, die EU-Skepsis auch bei der österreichischen Jugend um sich greift, versteht Jan Figel.
"Europäischer Vertrag muss eingehalten werden"
"Die EU ist ein Vertrag, dessen Bestimmungen man einhalten muss. Wenn die Rechte der Unionsbürger durch die Gesetze eines Staates verletzt werden, dann ist es klar, dass die Kommission als Wächter des europäischen Rechts eingreifen muss", erklärte der Bildungskommissar im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr sieht er als eine "große Chance, um die Europäische Union in Österreich populärer zu machen".
Wie unpopulär die Union derzeit bei den Österreichern ist, wird auch an der Anzahl der Teilnehmer an der Europäischen Jugendwoche deutlich: Während alle anderen Mitgliedsstaaten mit zumindest vier Jugendlichen vertreten waren, haben sich lediglich zwei Österreicher in Brüssel eingefunden. Der Delegierte Johannes Langer ist wenig überrascht: "Es ist typisch für die Österreicher, keinen Blick über den Tellerrand zu werfen", meinte er. Schuld an der "klar verfehlten Integration" ist laut Langer die Bildungspolitik, da in Schulen wenig Interesse für Europa und fremde Kulturen geweckt werde. "Ich bin erschrocken darüber, dass es in Österreich immer noch sehr wenig Wissen über die neuen Mitgliedsstaaten gibt", sagte Langer.
Mit ähnlichen Problemen haben die neuen EU-Staaten selbst zu kämpfen: "Seit dem Beitritt hat es auch unter den jungen Leuten sehr viel Enttäuschung und Desillusionierung gegeben. Alle haben geglaubt, dass sich ihre Probleme mit dem Beitritt auf magische Weise in Luft auflösen würden", erklärte etwa Bernard Galea aus Malta. An aktiver politischer Beteiligung sind laut Galea auch die meisten maltesischen Jugendlichen nicht interessiert. "Leider wollen die Jungen immer nur ein möglichst stressfreies, bequemes Leben führen - und Politik erfordert Einsatz", erklärte Galea.
Europäische Union als metaphysisches Konstrukt?
Michail Stangl, der an der länderübergreifenden Produktion eines Films über kulturelle Vorurteile beteiligt war, will politisch desinteressierten Jugendlichen aber keinen Vorwurf machen. "Wie soll man Bewusstsein für etwas entwickeln, das so metaphysisch über einem schwebt wie die Europäische Union?", meint Stangl. Die Europäische Jugendwoche hätte die Jugendlichen der Europäischen Union näher bringen und ein Gemeinschaftsgefühl wecken sollen. Was den persönlichen interkulturellen Austausch betrifft, ist dies sicherlich gelungen, hinsichtlich einer europäischen Identifikation hatte aber auch Bildungskommissar Figel Zweifel. Er versuchte, die Jugendlichen mit den Worten eines Ureuropäers, Jean Monnet, zur politischen Beteiligung zu motivieren: "Ich bin weder optimistisch noch pessimistisch, aber ich bin entschlossen".