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Kanzler Faymann bei Gedenkzeremonie. | Großaufgebot an Sicherheitspersonal.
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Weißenbach. Eigentlich war eine „Nordic Party” geplant, mit skandinavischer Musik und entsprechendem Lokalkolorit. Doch davon konnte am Montagabend zum Auftakt des Treffens der Internationalen Sozialistischen Jugend in Weißenbach am Attersee nicht die Rede sein. Das Massaker auf Utöya drückt gewaltig auf die Stimmung, der Tod von mindestens 68 jungen Norwegern lässt hier keinen kalt. Auf der Bühne werden melancholische Lieder gespielt, die Jugendlichen versammeln sich schweigend, von Ausgelassenheit keine Spur. Mit Einbruch der Dunkelheit wird der Opfer in Norwegen mit einem Lichtermeer gedacht. Junge Redner sprechen von einem „Angriff auf uns alle” und ungeheurem Schmerz, den das unfassbare Verbrechen ausgelöst habe. Es ertönt die Internationale.
Vor dem Zeltlager patrouillieren Polizisten und Sicherheitspersonal, der Zugang wird genau bewacht, über dem Gelände taucht ein Hubschrauber auf. „Die Stimmung ist schlecht”, sagt Susannika Glötzl von den Sozialistischen Studenten Österreichs, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht. Auf einer Rasenfläche wird Fußball gespielt, überall laufen Leute mit vollen Bierbechern herum, Neuankömmlinge ziehen mit viel Gepäck und roten Fahnen ein. Doch auch für Zita Schelleteens von den niederländischen Sozialisten - sie war schon auf vielen Treffen - ist klar: „Es herrscht eine Traurigkeit und Bitterkeit, die ich so noch nie erlebt habe.” Die norwegische Delegation ist erst gar nicht nach Österreich gekommen.
Motto: „Jetzt erst recht”
Die Organisatoren sind trotzdem stolz, dass das Europacamp der International Union of Socialist Youth heuer zum insgesamt dritten Mal in Österreich stattfindet. Erstmals 1929, damals war Bruno Kreisky im Organisationskomitee; das und der 100. Geburtstag des großen Sozialdemokraten sollten eigentlich gefeiert werden. Rund 3000 junge Linke aus aller Welt haben in Weißenbach in Oberösterreich an der Grenze zu Salzburg ihre Zelte aufgeschlagen um zu diskutieren, zu feiern und Kontakte zu knüpfen. Man kennt einander von früheren Lagern, einige hier haben durch das Massaker auf Utöya gute Bekannte verloren.
So etwa Stefan Hvenegaard von den dänischen Jungsozialisten. Er arbeitet seit Jahren eng mit norwegischen Sozialisten zusammen, einige seien jetzt tot, erzählt er der „Wiener Zeitung”. „Es ist schrecklich”, sagt Hvenegaard, der die Horror-Nachrichten zuerst nicht glauben wollte. „Ich konnte meine Freunde auch nicht anrufen, da sie sich versteckt hielten und ich sie nicht gefährden wollte.” Mit einem Überlebenden des Massakers habe er später doch noch telefoniert, dieser habe einen extrem geschockten Eindruck hinterlassen. Dass die Überlebenden durch die schrecklichen Ereignisse gebrochen sind, glaubt Hyenegaard nicht: „Im Gegenteil. Der Enthusiasmus wird wachsen, wir werden noch härter arbeiten. Wir müssen jetzt unsere Werte verteidigen, für mehr Freiheit und Demokratie, für eine bessere Welt kämpfen.”
Diskussionen gibt es darüber nicht, in diesem Punkt sind sich alle hier einig. Transparente mit Aufschriften wie „Mehr Freiheit, mehr Demokratie” werden gemalt, „niemand kann uns mit Bomben mundtot machen”, wird Norwegens Premier Jens Stoltenberg zitiert. Vor allem eine Frage bewegt hier alle: „Wie kann es möglich sein, dass in einer Gesellschaft derart hasserfüllte Menschen heranwachsen?”
Am Nachmittag erscheint Bundeskanzler Werner Faymann in schwarzem Anzug und schwarzer Krawatte, im Schlepptau hat er Laura Rudas, SPÖ-Geschäftsführerin und für Jugendfragen zuständig. Für Rechtsextreme sei kein Platz, betont Faymann gegenüber den versammelten Journalisten, man müsse den Anfängen wehren. Dann setzt er sich, von Kameras umringt, zu den Teilnehmern des Lagers, um zu debattieren.