Zum Hauptinhalt springen

Europas Kampf um Ressourcen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Wirtschaft
Im chinesischen Tianjin wird Eisenerz abgebaut - der Kampf um Rohstoffe birgt Zündstoff.
© © © Imaginechina/Corbis

Vor EU-China-Gipfel musste Peking Niederlage im Handelsstreit hinnehmen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. Europa ist auf der Suche nach Schätzen. Manche von diesen sind tief unter der Erdoberfläche versteckt, manche müssen erst durch chemische Verfahren für die weitere Verwendung brauchbar gemacht werden. Sie haben Namen wie Niobium, Platin, Kobalt, Zink oder Seltenerdmetalle. Und auf sie angewiesen ist die europäische Industrie, vor allem in der Metall- und Chemiebranche - bei der Herstellung von Kühlschränken, Elektronikgeräten, Batterien oder Medizin.

Doch in Europa werden diese Rohstoffe nur zu einem geringen Teil gefördert. Die meisten Vorkommen finden sich außerhalb - in China, Russland oder auch Australien. Während die Herkunftsländer sich die Ware teils teuer abkaufen lassen wollen, müht sich die EU um eine Strategie, die Spekulation auf den Rohstoffmärkten einzudämmen.

Handelsfragen werden jedenfalls auf der Agenda stehen, wenn in der kommenden Woche Vertreter der Union und Chinas zu einem Gipfeltreffen in Peking zusammenkommen. Dabei hat China im internationalen Ressourcenstreit erst in der Vorwoche eine Niederlage hinnehmen müssen: Peking darf seine restriktive Exportpraxis nicht aufrechterhalten. Die Welthandelsorganisation (WTO) kam zu dem Schluss, dass die Ausfuhrbeschränkungen bei Rohstoffen wie Zink und Magnesium illegal seien und wies damit eine Beschwerde Pekings gegen ein früheres - gleichlautendes - Urteil ab.

China müsse die Exportzölle und -quoten "in Übereinstimmung bringen mit seinen WTO-Pflichten", erklärte die Berufungsinstanz der Organisation. Darauf pochte die EU, die gemeinsam mit den USA und Mexiko die Klage eingereicht hatte, bereits seit längerem. So prangerte EU-Handelskommissar Karel De Gucht den "monopolistischen Zugriff" der Chinesen auf Rohstoffe an.

Das jüngste WTO-Urteil nährt die Hoffnungen vor allem der High-Tech-Industrie, dass Peking in naher Zukunft auch die Restriktionen beim Handel mit sogenannten Seltenen Erden aufheben muss - auch wenn dies nicht Gegenstand des Verfahrens war. Immerhin ist China der bei weitem größte Produzent der Seltenen Erden, die etwa zur Herstellung von Handys benötigt werden. Auch da hat das Land Ausfuhrquoten verhängt und verweist darauf, dass es die Einschränkungen brauche, um die begrenzten Vorkommen sowie die Umwelt zu schonen.

Abhängigkeit der Europäer von Importen

Wie auch immer dieses Ringen ausgeht - ähnlich wie im Falle von Erdgaslieferungen aus Russland bereitet die Abhängigkeit bei der Beschaffung anderer Rohstoffe den Europäern ebenfalls wachsendes Unbehagen. Bei einigen Ressourcen betrage die Importabhängigkeit der Union sogar hundert Prozent, erklärt die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde hat seit 2008 eine Liste von 14 derartigen "kritischen Rohstoffen" angefertigt. Darauf finden sich unter anderem Beryllium, Kobalt, Graphit, Magnesium und Wolfram.

Die Spekulation auf den Rohstoffmärkten heizt die Preisschwankungen für die Ressourcen an; die Beteiligungen institutioneller Anleger seien laut EU-Kommission allein in den Jahren 2003 bis 2008 von 13 Milliarden auf bis zu 205 Milliarden Euro gewachsen.

Die Forderung nach stärkerer Transparenz und Stabilität auf den Märkten ist daher ein wichtiger Teil einer Rohstoff-Strategie, die die Europäische Kommission im Vorjahr präsentiert hat. Maßnahmen wie Ausfuhrbeschränkungen würden nämlich den Wettbewerb verzerren und Unsicherheit im globalen Warenaustausch bereiten.

Ebenso soll nach den EU-Plänen regelmäßig überprüft werden, wie sich der Zugang der Europäer zu den kritischen Rohstoffen entwickelt, um im Notfall einen Aktionsplan auszuarbeiten. Weiters soll die Handelsstrategie der EU im Rahmen einer "Rohstoff-Diplomatie" gestärkt werden, entweder durch bilaterale Zusammenarbeit oder mit mehreren Ländern. Eine engere Kooperation soll es auch mit afrikanischen Staaten geben - was der EU-Kommission zunächst den Vorwurf von Nichtregierungsorganisationen eingebracht hat, die Behörde verkaufe Entwicklungshilfe für Rohstoffe.

Parlament fordert mehr Wiederverwertung

Eine Weiterentwicklung der Strategie hat es bisher allerdings nicht gegeben - auch wenn das EU-Parlament im Herbst des Vorjahres einen Bericht beschlossen hat, mit dem es eine gemeinsame europäische Rohstoffpolitik vorantreiben möchte. Darin fordern die Abgeordneten die Kommission auf, einen EU-Fahrplan bis 2050 zu entwerfen. Ebenso schlagen sie die Gründung einer hochrangigen Arbeitsgruppe mit Vertretern aus EU-Generaldirektionen, Forschungsstellen und Umweltagenturen vor. Überhaupt könnten die Mitgliedstaaten in etlichen Bereichen, etwa in der Geologie, intensiver als bisher zusammenarbeiten.

Allerdings weist das Parlament ebenfalls auf die Möglichkeiten der Wiederverwertung von Müll hin: Auch durch Recycling können Metalle gewonnen geworden. So enthält beispielsweise eine Tonne Mobiltelefone laut Experten bis zu 350 Gramm Gold. Millionen Tonnen von Elektroschrott jährlich werden aber gar nicht wiederverwertet.

Dem wollen die Parlamentarier wenigstens zu einem Teil entgegenwirken. Mitte Jänner votierten sie für neue Bestimmungen zu Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Damit soll die Sammelquote bei Elektromüll deutlich erhöht werden.