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Europas leere Versprechungen an die Ukraine

Von Ralph Schöllhammer

Gastkommentare
Ralph Schöllhammer ist Assistenzprofessor für Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen an der Webster Privatuniversität Wien (Twitter: @raphfel).
© privat

Wenn die Ukraine überlebt, dann nicht, weil ihr die EU geholfen hat.


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Napoleon Bonapartes Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord hat einmal angemerkt: "Wenn ein Diplomat ‚ja‘ sagt, meint er ‚vielleicht‘, wenn er ‚vielleicht‘ sagt, meint er ‚nein‘, und wenn er ‚nein‘ sagt, ist er kein Diplomat." Talleyrand verstarb 1838, aber sein Ausspruch gilt auch heute noch. Egal ob Energieembargo oder EU-Mitgliedschaft der Ukraine, innerhalb der Europäischen Union übt man sich fleißig in der Kunst des diplomatischen "Vielleicht". Zwar besuchen im Moment laufend europäische Diplomaten die Ukraine und versprechen massive militärische, wirtschaftliche, und diplomatische Hilfe, aber die Wirklichkeit sieht anders aus.

Ein echtes europäisches Energieembargo gegenüber Russland wird es nicht geben - außer der Kreml würde seinerseits den Gashahn zudrehen -, und die Idee eines Embargos mit Ende 2022 inklusive zahlreicher Ausnahmeregelungen ist eine zynische Form des Aussitzens eines Krieges, dessen Ende einem wichtiger ist als das Ergebnis. In sieben Monaten wird die Lage eine andere sein, und Europa wird sich mit einem siegreichen oder besiegten Russland arrangieren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnte in einer Rede bereits präventiv, man dürfe "weder Russland noch die Ukraine demütigen".

Auch die militärische Unterstützung Europas war bis jetzt zögerlich. Im ersten Monat des Krieges stellten die USA mehr als das Doppelte der EU zur Verfügung, knapp gefolgt von Großbritannien. Sollte die Ukraine diesen Konflikt überleben, dann aufgrund der Unterstützung aus den angelsächsischen Ländern und einiger osteuropäischer Staaten wie Polen. Überrascht von der Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Armee, kommt zwar Bewegung in das Versprechen deutscher Waffenlieferungen, aber interessanterweise findet man in Berlin immer wieder eine logistische Hürde, etwas nicht ganz so liefern zu können wie ursprünglich vereinbart - jüngstes Beispiel: die Lieferung von Gepard-Panzern ohne Munition.

In diesem Lichte ist eine frühe EU-Mitgliedschaft der Ukraine unwahrscheinlich. Selbst wenn sich zahlreiche Politiker medienwirksam dafür aussprechen, wissen sie, dass es eine Veto-Stimme geben wird, hinter der man sich dann verstecken kann. Ob dieses Veto aus Budapest, Wien, Berlin oder Paris kommt, wird sich zeigen, aber es war wieder Macron, der jüngst eine "erweiterte europäische Gemeinschaft" für Staaten ohne Vollmitgliedschaft vorschlug - ähnlich der Idee von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg.

Außerdem kalkulieren die dominanten EU-Mächte, wie eine zukünftige Union aussehen könnte, und weder in Berlin noch in Paris will man einen starken osteuropäischen Block um die Achse Warschau-Kiew. Innerhalb der EU wäre die Ukraine eher polnisch neo-national als deutsch post-national geprägt, was die Gräben zwischen Ost- und Westeuropa noch weiter vertiefen würde und einem Machtverlust Deutschlands und Frankreichs gleichkäme. Unter dem Eindruck des heroischen Widerstandes der Ukraine klingt dies zynisch, aber es ist auch ein moralisches Vergehen, einem Volk Hoffnung auf etwas zu machen, das sich nie erfüllen wird.