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Europas Sandwich

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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In Österreich hat die Arbeitslosigkeit die 400.000er-Marke überschritten, in Italien ist sie überhaupt auf einen Rekordwert geklettert - sie liegt sogar zweieinhalb Mal so hoch wie in Österreich. In diesem Zusammenhang ist interessant, was der deutsche Finanzminister Schäuble vorige Woche bei einer Veranstaltung der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Er meinte, dass Europa viel weiter wäre, wenn sich alle an die vereinbarten Regeln und Absprachen gehalten hätten und halten würden.

Ein guter Punkt, aber halt leider sehr deutsch. Denn viele dieser Regeln wurden auf bilateraler Ebene getroffen, sie sind nicht Bestandteil der europäischen Verträge - und das Europa-Parlament hat dabei wenig mitzureden. Der Europäische Rat, das Gremium der jetzt 28 Regierungschefs, überwacht diese Regeln. Und genau das ist das Problem am Arbeitsmarkt. Die wirtschaftliche Verflechtung Europas ist so weit fortgeschritten, dass die national organisierte Sozial- und Wirtschaftspolitik schlichtweg überfordert ist.

Wenn das Wachstum in Deutschland und Italien einbricht, steigt in Österreich die Arbeitslosenrate, auch mit Wunderwuzzis in der Regierung.

Schäuble hat auch da eine Antwort: Mehr Föderalismus, die Probleme unmittelbar dort lösen, wo sie entstehen. Das allerdings bringt den Europäischen Rat endgültig in eine Sandwich-Position. Einerseits sollen nationale Regierungen und Parlamente Kompetenzen an Europa abgeben - etwa beim Budget. Anderseits sollen sie Kompetenzen abgeben an kleinere Einheiten.

Das führt zu Sinnkrisen auf nationaler Ebene und zu Reibungsverlusten bei allen Arten von Programmen, die Arbeitslosigkeit reduzieren sollen. Die Folgen sind fatal. Erstens sinkt die Arbeitslosigkeit nicht, zweitens halten sich Unternehmen wegen der Unsicherheit bei Investitionen zurück und drittens haben andere Institutionen dafür keine Kompetenz.

Der kommende Europäische Rat, der sich mit Junckers Investitionspaket beschäftigen wird, sollte daher eigentlich seine Unzuständigkeit beschließen. Das wird er natürlich nicht tun, sondern die 28 Regierungschefs werden so tun, als ob sie eh alles im Griff hätten. Das allerdings wird die Dinge nicht zum Besseren wenden. Schäuble meinte allerdings auch, Europa nicht mit utopischen Forderungen zu überfordern. Leider falsch, Utopie ist notwendig, denn sonst bleibt Europa nur die Realität erhalten.