20 Jahre Euro erinnern auch an die Turbulenzen bei der Rettung Griechenlands und anderer Euroländer.
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Der Euro als gemeinsames Zahlungsmittel in Europa und die Währungsunion - bisher sind sie eine Erfolgsgeschichte, aber nicht nur. Denn 2009, gerade einmal sieben Jahre nach Einführung des neuen Bargeldes, begann eine Staatsschuldenkrise die Eurozone heftig zu erschüttern. Diese Krise erfasste Länder, die an der Peripherie des einheitlichen Währungsraumes liegen. Sie erstreckte sich über die erste Hälfte der Zehner-Jahre, sorgte immer wieder für erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten und gilt als erste große Bewährungsprobe für den Euro.
Die Krise war eine Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008. Ihren Höhepunkt erreichte sie in Griechenland. In bedrohlicher Schieflage befanden sich aber auch Irland, Portugal, Spanien, Zypern und in gewisser Weise Italien.
Brüssel reagierte auf die Euro-Krise, die nicht nur als Staatsschulden-, sondern auch als Banken- und Wirtschaftskrise gilt, mit einem breit aufgespannten Rettungsschirm. Der sollte die durch ihre Schuldenlast schwer taumelnden Euroländer vor der Pleite bewahren und verhindern, dass der Euro zusammenbricht - und mit ihm die Währungsunion oder Teile davon.
Was waren die Gründe für die Euro-Krise?
Als Buchgeld hatte man den Euro am 1. Jänner 1999 eingeführt. Mit Jahresbeginn 2002 war dann die Bargeldeinführung erfolgt (die sich in Kürze zum 20. Mal jährt). Für den Beitritt zur Eurozone hat ein Staat bekanntlich bestimmte EU-Konvergenzkriterien zu erfüllen - beim Budgetdefizit, dem Schuldenstand und der Inflation. Da das bei Gründung der Währungsunion aber nicht sonderlich genau genommen wurde, fanden sich im neuen Klub auch Länder, die dafür wirtschaftlich und fiskalisch gar nicht qualifiziert waren.
Mit der Währungsunion fielen jedenfalls die flexiblen Wechselkurse weg, mit denen sich diese Länder vorher wettbewerbsfähig gehalten hatten. Weil dort das Preisniveau nun stärker anstieg, womit die traditionell ohnehin höhere Inflation zusätzlich angeheizt wurde, ging den späteren Krisenländern die Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dazu kam, dass das hohe Haushaltsdefizit der betroffenen EU-Staaten ab der Weltfinanzkrise außer Kontrolle geriet. Vor diesem Hintergrund ging es mit den Zinsen für Anleihen extrem nach oben, womit neue Schulden - um alte begleichen zu können - nun nicht mehr aufgenommen werden konnten und somit die Insolvenz drohte.
Im Fall von Griechenland einigten sich die Euroländer im April 2010 auf Hilfskredite in der Höhe von 110 Milliarden Euro. Im Gegenzug musste sich Athen zu Reformen und Sparmaßnahmen verpflichten. Diese bilateralen Verträge wurden in der Folge weiter ausgebaut und im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), einem Mechanismus zur Euro-Stabilisierung, dauerhaft verankert. An der Rettung für Griechenland und die anderen Krisenländer beteiligten sich neben der EU auch die für die Geldpolitik der Eurozone zuständige Europäische Zentralbank (EZB) sowie der Internationale Währungsfonds. Griechenland allein erhielt bis 2018 rund 290 Milliarden Euro an Finanzhilfen.
Als Folge der Staatsschuldenkrise reformierte Brüssel zunächst den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Darüber hinaus verpflichteten sich die Euroländer im Fiskalpakt von 2012 zur Umsetzung einer nationalen Schuldenbremse. Hinzu kam die Einrichtung einer Bankenaufsicht, die in der EZB angesiedelt wurde, und der Plan einer Bankenunion, die bis dato aber noch nicht umgesetzt ist.
Geldpolitik der EZB stützt Schuldenländer
Einer der zentralen Punkte bei der Eindämmung der Staatsschuldenkrise war freilich auch, dass die EZB den Leitzins immer tiefer gesenkt und sich daneben dazu entschlossen hat, Staatsanleihen aufzukaufen. Ab 2022 versucht sie zwar einen vorsichtigen Schritt beim Ausstieg aus ihren krisenbedingten Hilfsmaßnahmen, die auch wegen der Corona-Pandemie erfolgt waren. "Seit der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat die EZB den Krisenmodus in ihrer Geldpolitik grundsätzlich aber nicht mehr verlassen", erklärt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI).
"Mario Draghi (der damalige EZB-Chef, Anm. d. Red.) konnte mit Öffnung der monetären Schleusen und Negativzinsen die Eurozone zusammenhalten, weil auch die Teuerung unter ihrem Zielwert verharrte", führt der Finanzmarktexperte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" weiter aus. Die nächsten zehn Jahre dürften jedoch durch ein höheres Inflationspotenzial in der Eurozone gekennzeichnet sein.
"Da bekommt die EZB schon ein Zielproblem", betont der RBI-Analyst. "Denn wenn die Inflation mittelfristig über zwei Prozent liegt, müsste die EZB ihre geldpolitische Expansion ändern. Mit den extrem tiefen Staatsanleiherenditen wäre es dann vorbei." Vor allem Italien, Spanien und Frankreich müssten dann ihre Fiskalpolitik reformieren - "um nicht ins Spannungsfeld zu den stabilitätsorientierten Euro-Mitgliedstaaten zu geraten", wie Brezinschek meint.
Mit ihrer Negativzinspolitik sowie den bisher massiven Anleihekäufen versuche die EZB jedenfalls, die expansive Fiskalpolitik der Euroländer zu unterstützen. "Wenn die Teuerung künftig aber nachhaltig über dem Inflationsziel der EZB zu liegen kommt, dann wird die Finanzierungshilfe der Euro-Mitgliedstaaten nicht mehr so großzügig erfolgen können", gibt der Raiffeisen-Experte zu bedenken. "Die EZB kann ihr Mandat zur Gewährleistung der Preisstabilität nicht vernachlässigen und müsste ihre extrem großzügige Geldpolitik zurückfahren. Andernfalls würde sie einen Vertrauensverlust erleiden. Der Euro würde sich sonst abschwächen." Aus Brezinscheks Sicht müssten daher vor allem Italien, Griechenland, Spanien und auch Frankreich "endlich ihre Strukturreformen auf den Weg bringen, um neuerliche Krisenerscheinungen in der Eurozone zu vermeiden".
"Unendlich ist der Spielraum für Rettungsmaßnahmen nicht"
Auf die Wette, ob die Eurozone auch in den nächsten 20 Jahren noch aus den gleichen 19 Mitgliedstaaten bestehen wird wie heute, will sich Brezinschek nicht einlassen. "Solidarität ist keine Einbahnstraße und erfordert auch Eigenleistungen derer, die in den vergangenen Jahren die Spielregeln ,großzügig‘ interpretiert und auch verletzt haben", sagt er. "Unendlich ist der Spielraum für Rettungsmaßnahmen nicht."
Nach Brezinscheks Worten bringen die nächsten zehn Jahre für die EZB "höchstwahrscheinlich eine Gratwanderung". Zum einen ändere sich das inflationäre Umfeld mittelfristig und erfordere früher oder später einen Kurswechsel in der Geldpolitik. Und zum anderen werde dies in Konflikt mit der Absicht der EZB geraten, den Schuldnern "ausgezeichnete Finanzierungskonditionen" zu gewähren. "Ohne mehr Anstrengungen der ,Budgetsünder‘ wird dies zu einer echten Herausforderung in der Eurozone."