Sanktionen gegen Weißrussland sind endlich beschlossen, es gab klare Worte für die Türkei und in Richtung Moskau - und einen Fortschritt bei Corona-Maßnahmen.
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Es dauerte bis Mitternacht, bis der Knoten entwirrt war. Am EU-Sondergipfel, der sich neben Wirtschaft und Digitalisierung hauptsächlich um außenpolitische Themen drehte, wurde der Widerstand Zyperns gebrochen - ob durch Druck oder Versprechungen, war zunächst unklar.
Zypern hatte als einziges Land die Sanktionen gegen Weißrussland blockiert, weil es die übrigen Mitgliedsländer zu einer härteren Haltung gegenüber der Türkei zwingen wollte. Am Ende, nach mehreren Unterbrechungen, kam die Einigung. Die EU setzt also Sanktionen gegen rund 40 Personen in Weißrussland (Belarus), denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen oder der gewaltsamen Niederschlagung von friedlichen Protesten vorgeworfen wird. Staatschef Alexander Lukaschenko ist nicht dabei; so will man sich Hintertürchen für diplomatische Lösungen offenlassen. Im selben Atemzug erneuert die EU die Drohungen gegen die Türkei und stellt deren Präsident Erdogan die Rute ins Fenster: Man werde "alle zur Verfügung stehenden Instrumente" nutzen, sollte er neuerlich einseitig die Bemühungen einer gedeihlichen Lösung torpedieren.
Klare Botschaft an Putin
Die Antwort kam postwendend durch den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Er kritisierte die Einigung auf eine gemeinsame Linie der EU gegenüber der Türkei im Erdgasstreit. Die getroffenen Aussagen dienten nur dazu, Griechenland weiter zu befriedigen, Athen halte die EU als Geisel, so die Meinung Ankaras. Schließlich brachte der Gipfel auch noch eine klare, wenngleich deutlich diplomatischer formulierte Botschaft an Wladimir Putin zustande. "Der Gebrauch einer chemischen Waffe stellt einen ernst zu nehmenden Bruch internationalen Rechts dar", heißt es in der Schlusserklärung eher kryptisch.
Noch zeigen sich die Mitgliedsländer zu wenig informiert über die tatsächlichen Hintergründe des Anschlags, sie ließen aber keine Zweifel daran, dass sie die Angelegenheit noch nicht als erledigt betrachten: Der Fall Nawalny wurde auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels gesetzt, der bereits in zwei Wochen stattfindet.
Vertagt wurde auch noch ein anderes, großes Thema. Die Beziehungen zu China sollen auf einem eigenen China-Gipfel Mitte November in Berlin erörtert werden. Eine ähnliche Veranstaltung im September, an der auch der chinesische Präsident Xi hätte teilnehmen sollen, war wegen der Pandemie abgesagt worden.
Das Thema tangiert ein anderes, das nun in Brüssel diskutiert wurde: die "strategische Autonomie" Europas. In Zukunft will sich die EU in manchen Bereichen (Digitales, Medizin bzw. Arzneimittel) nicht mehr in Abhängigkeit von anderen Ländern oder Großmächten sehen. Dazu passt auch, dass der Gipfel eine Reihe von Punkten unterstützt, die den Binnenmarkt stärken sollen. Unter anderem geht es dabei um eine Aktualisierung des Wettbewerbsrahmens, der für "global player" zunehmend als Hemmschuh wahrgenommen wird.
Koordination beim Reisen
Als Österreichs Kanzler Sebastian Kurz unmittelbar nach dem Gipfel vor die Presse trat, beherrschte letztlich ein Thema die Gespräche, das ebenso wie die Rechtsstaatlichkeit gar nicht auf der Gipfel-Agenda gestanden war: Europas Umgang mit der Pandemie. Der Kanzler stellte dazu trocken fest: "Wir und einige andere haben die Debatte eingefordert, weil alle Staats- und Regierungschefs derzeit 80 Prozent ihrer Zeit mit der Bewältigung der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen verbringen."
Besonders beim Reisen sei eine europäische Abstimmung geboten, ebenso etwa bei Maßnahmen wie Quarantänedauer, die je nach Beraterstab zwischen sieben und 14 Tagen schwanke. Kurz bedankte sich ausdrücklich bei Ursula von der Leyen und der EU-Kommission, die bei Beschaffung bzw. Forschung nach einem Impfstoff gute Arbeit leiste.
Covid sei, bei allen wichtigen außenpolitischen Themen, die wichtigste Herausforderung in Europa. Kurz: "Ich bin dagegen, dass man der Europäischen Union gegenüber Erwartungen hegt, die nicht erfüllbar sind. Die Mitgliedsstaaten sind für sich selbst verantwortlich, das kann und soll die EU nicht übernehmen." Vielmehr gehe es darum, alles zu koordinieren: "Das beginnt bei der Impfung, wo es am besten läuft, und endet beim Reisen und bei Reisewarnungen, wo es am schlechtesten läuft."