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Neue Indikatoren zeigen Abwärtstrend der EU-Wirtschaft - Ruf nach rascher Wachstumsinitiative wird lauter.
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Brüssel/Alpbach. Die EU-Kommission veröffentlichte am Donnerstag zwei Indikatoren, die Anlass zur Sorge geben. Der Indikator zur gefühlten Wirtschaftslage (ESI) sank ebenso wie der Geschäftsklima-Indikator (BCI). Dies befeuerte erneut die Diskussion darüber, ob eine Aufweichung der Sparpolitik für eine Erholung der schwerfälligen Wirtschaft in Europa nicht zielführender wäre.
Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi meint, er könne die für mehr Wachstum und Jobs erforderlichen Maßnahmen nicht umsetzen, wenn der Wachstums- und Stabilitätspakt nicht aufgeweicht werde.
In Italien trübte sich die wirtschaftliche Stimmung EU-weit am stärksten. Die drittgrößte Volkswirtschaft des Euroraums ist erneut in eine Rezession geschlittert, schrumpft schon seit Jahresbeginn und hat mit einer Arbeitslosenrate zu kämpfen, die am Rekordniveau von 12,7 Prozent kratzt.
Der Euro-Stabilitätspakt fordert von den Mitgliedern mehr oder weniger ausgeglichene Staatshaushalte. Falls ein Budgetdefizit die Marke von drei Prozent des BIPs zu überschreiten droht, kann die EU-Kommission eine "Frühwarnung" erlassen. Falls es tatsächlich drei Prozent überschreitet, blühen dem Land saftige Strafen.
Wenn Reformkosten, also Ausgaben für Investitionen, Bildung und Forschung, nicht in das nationale Defizit einfließen würden, wären die EU-Forderungen fairer, erklärte Renzi, der die strengen Vorgaben gerne aufgeweicht sähe.
Einen Unterstützer hat Renzi in Frankreichs Präsident François Hollande, der ebenfalls für Anpassungen plädiert. "Der Rhythmus des Defizitabbaus muss vereinbar sein mit den Wachstumszielen und einer schwachen Inflation." "Europa droht eine lange und möglicherweise endlose Stagnation, wenn wir nichts tun", sagte Hollande am Donnerstag und forderte "so rasch wie möglich" einen Wachstumsgipfel der Euro-Länder.
Auch EZB-Chef Mario Draghi befürwortete zuletzt mehr Flexibilität bei der Haushaltspolitik. Die Regierungen sollten die bestehenden Spielräume für eine Stärkung der Wachstumspolitik nutzen. "Das Risiko, bei der Nachfragestärkung zu wenig zu tun und damit die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verschlimmern, ist ganz klar größer, als zu viel zu tun", sagte Draghi. Eine Aussage, die Finanzexperten als Ende der Sparpolitik werteten.
Auch in den USA sähe man gerne ein Ende dieser Politik. US-Starökonom Joseph Stiglitz geht gar so weit zu sagen, dass die Sparpolitik Europas ein "katastrophaler Fehler" war und direkt für die fehlgeschlagene Erholung der EU in der ersten Jahreshälfte verantwortlich war.
"Entscheidende Tage"
"Die kommenden zehn Tage werden für Europa sehr entscheidend werden", ist jedenfalls Wifo-Chef Karl Aiginger überzeugt: Beim EU-Sondergipfel am Samstag werde man wohl versuchen versuchen durchzusetzen, dass nicht nur Personalentscheidungen getroffen werden, sondern auch ein Teil des vom designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker für die nächsten drei Jahre geplanten 300 Milliarden Euro schweren Programm zum Ausbau der Energie-, Verkehrs- und Breitbandnetze schon heuer in Kraft gesetzt werde, sagte Aiginge. Weiters sollte Juncker jene 26 Länder, die noch kein Jugendbeschäftigungsprogramm eingereicht haben, auffordern, innerhalb eines Monats eines vorzulegen. "Druck ist notwendig, das zweite Halbjahr ist entscheidend".
Auch bei der EZB ortet Aiginger Handlungsbedarf: Sie sollte schon nächsten Donnerstag das "Quantitative Easing" beschließen" - darunter versteht man breit angelegte Wertpapierkäufe durch die Zentralbank. Denn sollte der Beschluss erst im Oktober oder November kommen, wäre es für dieses Jahr zu spät, meinte Aiginger."Wenn das heurige Jahr wieder nur eine Null oder gar ein kleines Minus hat, dann tritt wieder die Depression ein - auch psychisch, und die Unternehmen investieren weiter nicht".