EU-Taxonomie: Frankreich hofft nun auf frisches Geld für seine maroden Atomkraftwerke.
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Frankreich ist der große Gewinner in der Debatte rund um die EU-Taxonomie. Nachdem das EU-Parlament für den Vorschlag der Kommission stimmte, müssten sich nun 20 EU-Staaten bis 11. Juli zusammenschließen, um das Vorhaben noch zu verhindern. Ein unwahrscheinliches Szenario. Der Bau von Atom- und Gaskraftwerken gilt daher künftig als klimafreundliche Investition.
Umweltorganisationen wie der WWF kritisieren die Entscheidung und befürchten einen Rückschlag in der Energiewende - aus Sonne, Wasser, Wind, Geothermie und Biomasse. Frankreich könne nun hohe Summen aus Fördertöpfen der EU lukrieren, um seinen maroden Atomriesen EDF zu sanieren, sagt Jakob Mayr, WWF-Experte für Nachhaltigkeit im Finanzsystem. "Geld, das eigentlich dringend für den Ausbau naturverträglicher erneuerbarer Energieträger gebraucht wird."
Der schwer verschuldete Stromkonzern befindet sich bereits überwiegend in Staatshand, nun soll er komplett verstaatlicht werden, wie die französische Premierministerin Elisabeth Borne am Mittwoch erklärte. Mithilfe der Atomkraft werde die - mit Uran angereicherte - Energiewende gelingen, fügt sie hinzu.
Bereits heute erzeugt Frankreich mehr als 70 Prozent seines Stroms aus Atomkraft. Bald sollen es mehr sein. "Damit werden wir als erstes großes Land komplett auf fossile Energiequellen verzichten", sagt Borne. Sie kündigte den Bau von weiteren Atomkraftwerken an.
Frankreichs Atommeiler sind stark renovierungsbedürftig
Doch nicht nur für neue Anlagen wird Frankreich tief in die Tasche greifen müssen, sondern auch für die dringende Modernisierung der bestehenden Atommeiler. EDF verfügt in Frankreich über 56 Reaktoren. 12 von ihnen wurden aus Sicherheitsgründen bereits vom Netz genommen. Die Behebung der Probleme erfordere einen groß angelegten Plan, sagte dazu der Leiter der französischen Nuklearaufsichtsbehörde ASN. Er warnte davor, dass möglicherweise weitere Reaktoren abgeschaltet werden müssten. Das könnte teuer werden.
Neben Frankreich setzen auch andere EU-Länder wie Tschechien auf Atomkraft. Vor kurzem verkündete der tschechische Premier Petr Fiala den Start der Ausschreibung für den Ausbau des Atomkraftwerkes Dukovany. Es handle sich um den Bau eines fünften Reaktorblocks.
Für die Energiepläne Tschechiens und Frankreichs kommt die neue EU-Taxonomie gerade zur rechten Zeit. Ob damit aber auch private Finanzströme in Richtung Kernenergie gelenkt werden, darf bezweifelt werden. "Die Aktien der Energiebranche waren die einzigen in diesem Jahr mit einem Plus im S&P 500 (Index, der Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen, Anm.)", sagt Monika Rosen, Börsenexpertin der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft: "Aber ihre Gewichtung ist zu klein, um den gesamten Index zu ziehen."
Die Marktkapitalisierung ist also zu gering. Bleiben die Fördergelder über Töpfe aus der EU und den Mitgliedsstaaten.
Die EU hat bisher 300 Milliarden Euro veranschlagt, um sich unabhängig von Importen fossiler Brennstoffe aus Russland zu machen. Ein Teil davon könnte nun in die geplanten Atomprojekte nach Frankreich und Tschechien fließen.