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Fusion von BAE und EADS könnte Thema im US-Wahlkampf werden.
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Berlin/London/Washington. Seit Mittwochabend steht die Luftfahrt- und Rüstungsbranche Kopf. Die geplante Megafusion der deutsch-französischen EADS und der britischen BAE Systems - die freilich noch vor hohen Hürden steht - ist auch ein Angriff auf den amerikanischen Erzkonkurrenten Boeing im eigenen Land. EADS könnte nämlich die in den Vereinigten Staaten bereits gut vernetzte BAE Systems als Türöffner ins Pentagon verwenden und so an begehrte Aufträge kommen.
Amerika ist der größte Rüstungsmarkt der Welt: 412 Milliarden Euro gibt das Pentagon heuer aus. An diesem Kuchen versucht EADS schon lange mitzunaschen. Bisher war das Amerika-Engagement jedoch von Misserfolgen gekennzeichnet: So verlor man letztes Jahr einen sicher geglaubten Auftrag zum Bau von Tankflugzeugen an Boeing. Die Briten hingegen machen bereits 40 Prozent ihres Umsatzes mit den Amerikanern. Diese Verbindungen sollen nach der Fusion auch der EADS-Sparte zugute kommen.
Bei EADS, der Airbus-Mutter, erhofft man sich, mit den amerikanischen Geldern die Risiken des zivilen Flugzeugbaus besser ausgleichen zu können. Zurzeit hängt man viel zu stark an den schrumpfenden europäischen Rüstungsbudgets. Angestrebt wird vor allem eine Perspektive für den Bau von Drohnen, den immer öfter eingesetzten unbemannten Luftfahrzeugen.
Der Schritt in den amerikanischen Markt wird - sollte die Fusion gelingen - aber weiterhin kein einfacher sein. Zudem sind auch in den Vereinigten Staaten Budgetkürzungen zu erwarten. Laut Anit Mukherjee, Experte in Militärstrategiefragen in Philadelphia, besteht von amerikanischer Seite vor allem Bedarf an Drohnen und Ersatz für alle militärischen Güter, die im Zuge der Irak- und Afghanistankriege aufgebraucht wurden. Darunter fallen auch Helikopter und diverse Fahrzeuge. Seiner Einschätzung nach wird man im Pentagon durchaus froh darüber sein, günstiger an Rüstungsgüter zu kommen. Druck aus dem Kongress zur Unterstützung der eigenen Industrie wird aber nicht ausbleiben. Für hochtechnologische Nischenprodukte gebe es allerdings gute Chancen, so das Resümee des Militärexperten im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Dass das US-Verteidigungsministerium sowie die Kartellwächter den Zusammenschluss blockieren, wird für unwahrscheinlich gehalten, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider. Vorausgesetzt, das Thema wird nicht zum Spielball im amerikanischen Wahlkampf. Bei der US-Firma Boeing, derzeit Marktführer bei Rüstungsgütern, ist man jedenfalls gelassen. Man habe "tiefes Vertrauen" in die Stärke des Unternehmens, sagt Boeing-Chef Jim McNerney in Washington.
Die Gelassenheit bei Boeing rührt zum Teil auch daher, dass eine Fusion von EADS und BAE noch lange nicht ausgemacht ist. Die deutsche Regierung etwa sprach am Freitag von einem "sehr, sehr komplexen" Projekt mit weitgehenden Folgen für die Sicherheits- und Industriepolitik. Man prüfe eingehend. Es geht um viel: Forschungs- und Produktionsstandorte, Innovations-Know-how und politische Einflussmöglichkeiten in einem neuen Unternehmen. Auch Frankreich will als starker Anteilseigner präsent bleiben. An den Börsen legten die Papiere der beiden Konzerne nach den massiven Kursverlusten vom Vortag kräftig zu.