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Europas Wahl

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Europa muss gleich mehrfach wählen. Nicht nur das Europäische Parlament im Mai, sondern auch die Richtung, in die es gehen soll. Erst die Finanz- und Schuldenkrise und nun die Ukraine sollten jedermann klar gemacht haben, dass das Gerede von weniger Europa Unsinn ist. Österreich als einzelner Staat mit dem Schilling als Währung wäre wohl pleite gegangen. Unter anderem, weil auch andere kleinere Länder Europas pleite gegangen wären und ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen hätten können. Es ist daher allein dem Gebilde der Europäischen Union zu verdanken, dass es bisher so glimpflich ausgegangen ist.

Das macht die EU nicht ideal, tatsächlich gibt es es sogar viel an ihr zu kritisieren. Aber Kritik heißt nicht Zerstörung. Das Euro-Austrittsszenario von FPÖ, Team Stronach und BZÖ würde beispielsweise die heimische Industrie zerstören - und damit den Wohlstand im Land.

Wenn nun die europäischen Staats- und Regierungschefs über die Ukraine und Sanktionen gegen Russland beraten, wird wenig dabei herauskommen, das Geschimpfe wird wieder groß sein. Die elf Milliarden Euro für die Ukraine gäbe es allerdings ohne die EU auch nicht - es wäre undenkbar, dass sich 28 Staaten individuell in so kurzer Zeit auf Hilfe einigen.

Europa hat also de facto bereits gewählt, gepaart allerdings mit einer gehörigen Portion Angst, die bei der echten Wahl im Mai den extrem rechten und ein bisschen auch den extrem linken Rand stärken wird. Das ist traurig, aber noch nicht fix. Wenn die heimischen Politiker es schon verabsäumen, sich adäquat um das Thema Europa zu kümmern, können es die Bürger selbst immer noch tun.

Das Beispiel Ukraine zeigt, wie knapp Krieg und Frieden beisammen liegen; wie knapp Ordnung und Chaos beieinander liegen können. Die Europäische Union hat in ihren Mitgliedsländern diese Knappheit beseitigt. Das sollte uns klar sein, wenn wir im reichen Österreich auf das blöde Brüssel schimpfen.

In den Krisen hat die Europäische Union noch ärgere wirtschaftliche Verwerfungen verhindert. Nun hilft die EU entscheidend mit, einen Krieg vor unserer Haustür zu verhindern, ja unmöglich zu machen.

Europas Bürger müssen wählen - und werden hoffentlich all dies mitbedenken, wenn sie Ende Mai zu den Urnen schreiten.