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Die ersten Europäer könnten aus dem Kaukasus stammen. | Schädelfund stellt bisherige Theorien über Ursprung der Menschheit in Frage. | Moskau. Afrika ist nicht, wie bisher angenommen, die einzige Wiege der Menschheit. Das behauptet Professor Dawid Lordkipanidse, Generaldirektor des Georgischen Nationalmuseums. Wie er beim Wissenschaftsfestival im britischen Guildford informierte, wurden faszinierende Entdeckungen bei Ausgrabungen nahe des mittelalterlichen Dorfes Dmanisi am Fuße des Großen Kaukasus gemacht, nur zwei Stunden Fahrzeit von der georgischen Hauptstadt Tiflis entfernt.
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Dort seien fünf 1,8 Millionen Jahre alte, gut erhaltene Schädel und ein Unterkiefer nebst Fragmenten von Arm- und Beinknochent gefunden worden.
Demzufolge zogen die weitläufigen Vorfahren des Menschen also aus Afrika in den Kaukasus, verbrachten dort längere Zeit und kehrten erst viel später nach Afrika zurück, um die bisher bekannte Geschichte der Menschheit zu durchleben. Zumindest habe sich in Eurasien ein weiteres Kapitel der menschlichen Zivilisation abgespielt, erklärte Lordkipanidse.
Jedenfalls sind die Knochen von Dmanisi die ältesten außerhalb Afrikas. Es geht nicht nur darum, dass sie an einem anderen Ort entdeckt wurden. Diese Urmenschen bzw. Hominiden sahen viel primitiver aus, als der bekannte Homo erectus, der einer etablierten Meinung zufolge vor rund einer Million Jahre Afrika verließ. Danach hatte der Urmensch bereits Werkzeuge aus Stein, die er nach Eurasien mitnahm. Auch hatte er einen umfänglichen Schädel, wo ein großes Gehirn Platz fand.
Bei Tiflis habe man etwas ganz anderes entdeckt, sagt der georgische Professor. Der "Dmanisi-Mensch" sei die älteste und primitivste Art der Gattung Homo und somit der Vorfahre aller späteren aufrecht gehenden Hominiden inklusive des modernen Menschen Homo sapiens. Sein Schädelinnenraum hatte einen Umfang von etwa nur 600 Kubikzentimetern. Die Vorsprünge über den Augenhöhlen waren weniger ausgeprägt, als beim bekannten Homo erectus. Seine unteren Gliedmaßen waren sehr menschlich und die oberen eher fossil. Bisher bekannte Hominide besaßen einen 1000 Kubikzentimeter großen Schädel, als sie nach etablierter Meinung Afrika verließen.
Klein und gute Läufer
Hominide, die älter waren als der Dmanisi-Mensch, wurden bisher nur in Afrika gefunden und erhielten den Namen Homo habilis. Sie lebten dort vor 2,5 bis 1,6 Millionen Jahren. Der Dmanisi-Fund schließt also die bisherige Lücke in der menschlichen Geschichte.
"Es waren nicht die ältesten Menschen überhaupt, wohl aber die ersten Europäer", sagt Lordkipanidse. Klein waren sie, etwa 1,44 bis 1,50 Meter hoch. An den Beinknochen zu urteilen, waren sie aber sehr gute Läufer. Und überhaupt sei der Körperbau wichtiger gewesen, als der Hirnumfang und habe im Wesentlichen dem des modernen Menschen entsprochen. Sie stellten hochentwickelte Steinwerkzeuge her und besaßen sozial bedingte Fertigkeiten. Einer der gefundenen Schädel hatte gar keine Zähne. Also lebte er oder sie noch viele Jahre ohne Zähne, was eine gewisse soziale Organisation voraussetze.