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Der weitgehend symbolische Aktionismus der heimischen Politik verstellt den Blick auf die tatsächlich wesentlichen Herausforderungen, die 2009 auf Österreich zukommen.
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Die erste Panik ist der Normalität gewichen. Wir haben uns an die Finanzkrise gewöhnt, sie ist schon fast zum normalen Lebensbegleiter in das Jahr 2009 geworden. Es gibt kaum Auswirkungen auf die Innenpolitik, die symbolischen Aktivitäten des politischen Populismus, sei´s rechts, in der Mitte oder links, haben bisher erfolgreich die Sicht der Menschen auf die wahre Situation verschleiert. Die regionalen und lokalen Wahlgänge im ersten Viertel des neuen Jahres werden ohne besondere Aufregungen vorübergehen, die Nationalpopulisten werden wohl etwas stärker werden, ohne an den bestehenden politischen Machtverhältnissen - gottlob - etwas verändern zu können.
Gespannt kann man sein, wie Österreich mit den Europa-Wahlen am 7. Juni umgehen wird. Als einzige überzeugte und überzeugende Europa-Partei ist nur mehr die ÖVP übrig geblieben. Aber wie weit ist ihr europäisches Bekenntnis bedroht durch den neuen, dem österreichischen Massenboulevard lieb- und angedienten euroskeptischen Populismus des sich sozialdemokratisch nennenden Koalitionspartners? Wird sie den zu erwartenden tagtäglichen massiven Verunglimpfungen seitens des "Corona-Austria-Meinungskartells" ohne politische Beschädigung widerstehen können?
Es bleibt zu hoffen, dass die gar nicht wenigen überzeugten europäischen Österreicher Flagge zeigen und auf die Bedeutung dieser europaweiten Wahlen hinweisen können. Zum ersten Mal werden 375 Millionen EU- Bürger aus 27 EU-Mitgliedstaaten bei der Europawahl wahlberechtigt sein.
Das alle fünf Jahre gewählte Europäische Parlament repräsentiert damit die zweitgrößte Demokratie der Welt. Nur in Indien gibt es bei den Wahlen noch mehr Wahlberechtigte.
Mit dem roten Medien-Kniefall ist in Österreich leider der viele Jahre geltende Konsens in der Europapolitik - trotz aller Beteuerungen - zerbrochen. Es bleibt zu hoffen, dass man sich besinnt und doch noch die Gesamtverantwortung als Regierungspartei vor das kurzsichtige Parteiinteresse stellt und vor allem die Gefahr erkennt, dass man letztlich nur jenen den Weg in das Europäische Parlament ebnet, welche die parlamentarische Bühne nicht für konstruktive europäische Politik nützen, sondern zur Zerstörung des gemeinsamen Europa.
Genützt werden könnte nun die im Zusammenhang mit der andauernden Finanzkrise und der zu erwartenden Wirtschaftskrise sich bessernde Stimmung gegenüber der EU in der österreichischen Bevölkerung. In der Krise klammert man sich an eine handlungsfähige und -bereite EU und an einen starken Euro. Gefühlsmäßig erkennen viele, dass der kleine Nationalstaat alleine in eigenbrötlerischer Weise der großen Krise keinesfalls Herr werden kann. Ein klares Nein aber all jenen, die aus der Krise ein zentralistisches Europa ableiten wollen. Im Gegenteil: Ein klares Ja zum Vertrag von Lissabon, weil er die regionale und lokale Identität in den Mitgliedstaaten zur Grundlage hat.
Fünf Monate haben wir noch die Chance, für die Europawahlen die richtigen Weichen zu stellen. Zerknirschtes Einsehen am 8. Juni kommt zu spät. Deshalb sind diese Gedanken an den Anfang des Jahres gestellt.