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Mit der Wahl von Antonio Tajani zum Präsidenten hat sich das EU-Parlament keinen guten Dienst erwiesen. Der ehemalige Mitarbeiter Silvio Berlusconis war schon als für die Industrie zuständiger EU-Kommissar eine mittlere Katastrophe, als Abgeordneter ist er in den vergangenen zwei Jahren nicht in Erscheinung getreten.
Immerhin ist das EU-Parlament das einzige direkt gewählte Gremium der EU. Mit Tajani werden die EU-Kommission und der Europäische Rat leichtes Spiel haben.
Angesichts der Herausforderungen ist das ein gefährliches Spiel. Ab April steht die Austrittsmitteilung Großbritanniens zur Diskussion. Die Grundsatzrede der britischen Premierministerin Theresa May ließ nun erkennen, dass es sich dabei um eine recht forsche Maximalforderung handeln wird. Die EU wird sich daher hart tun, kompromissbereit in diese Verhandlungen einzutreten - was die zweijährige Frist bis zum endgültigen Austritt gefühlt noch kürzer machen wird. Von Tajani dürften dabei keine konstruktiven Vorschläge zu erwarten sein.
Am 7. Mai wird voraussichtlich in einer Stichwahl Frankreich den neuen Präsidenten (oder die neue Präsidentin) wählen. Der scheidende US-Vizepräsident Joe Biden hat nun in Davos gewarnt, Russland werde auch europäische Wahlen in seinem Sinn zu beeinflussen suchen. Sollte Marine Le Pen, die Kandidatin des als rechtsextrem geltenden Front National, die Wahl gewinnen, bekommt die EU - neben dem Brexit - auch beträchtliche innere Probleme. Le Pen will auch Frankreich aus der EU herauslösen.
Ob von Tajani, dessen politische Sozialisierung auf Wladimir Putins Freund Berlusconi zurückgeht, da großartige Beiträge zu erwarten sind, muss leider bezweifelt werden.
Um das Maß voll zu machen, hat auch der designierte US-Präsident Donald Trump in einem Interview weitere Austritte aus der EU prognostiziert. Er stellte sich damit auf die Seite jener rechtspopulistischen Parteien in Europa, die einem Retro-Nationalismus frönen. Vom transatlantischen Partner kann Europa daher nach Trumps Angelobung am Freitag wenig erwarten - eher das Gegenteil. Der scheidende deutsche Bundespräsident Joachim Gauck warnt vor den Bedrohungen, denen der "European Way of Life" ausgesetzt ist. Das ist leider richtig, und gerade deshalb braucht die EU jetzt die besten Köpfe. Tajani gehört nicht dazu.