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"Europhorie" allüberall

Von Hermann Schlösser

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Wenn alles so weitergeht, wie es begonnen hat, könnte die Neuschöpfung "Europhorie" zum "Wort des Jahres 2002" werden. Am Mittwochabend jedenfalls war im Fernsehen dauernd die Rede davon: Natürlich war die Einführung des Euro in allen Sendern das große Thema. Und immer wieder begegnete man dem neuen Wort. Politiker gebrauchten es, die Journalisten ebenso, und es machte keinen Unterschied, ob man einen österreichischen oder einen deutschen, einen öffentlich-rechtlichen oder einen privaten Kanal anschaute: "Europhorie" allüberall.

Das galt nicht nur für die Wortwahl, sondern erst recht für den Geist der Berichterstattung: Zwar kann man nicht behaupten, dass kritische oder bedenkliche Töne ganz und gar gefehlt hätten. Dass der Euro auch ein "Teuro" werden könnte, war z. B. in der ZiB 2 zu erfahren. Und doch konnte dieses Wortspiel der "Europhorie" des Fernsehens nichts anhaben. Im Großen und Ganzen, so versicherten alle Sender unisono, sei die Umstellung auf das neue Geld in der gesamten EU grandios gelungen und habe bei allen beteiligten Völkern große Freude ausgelöst.

Geradezu enthusiastisch wurde also über die Währungsumstellung berichtet. Ob das wirklich im Sinne aller EU-Bürger war, mag strittig sein. Sicher aber ist, dass das größte Informationsmedium auf diese Weise entscheidend zur "Europhorie" beigetragen hat. Denn wenn man im Fernsehen sieht, dass sich ganz Europa freut - kann man sich eigentlich nur mitfreuen. Oder etwa nicht?