Staats- und Regierungschefs sollen sich auf Wirtschaftsunion verständigen.
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Brüssel. In drei Schritten zu einer "echten Wirtschafts- und Währungsunion": Zumindest auf der letzten Seite wollte Herman Van Rompuy den Weg der EU übersichtlich darstellen. Schematisch ließ der EU-Ratspräsident dort die Ideen bündeln, die er auf den vorhergehenden 14 Seiten erläutert. Das Papier soll eine Diskussionsbasis für die Staats- und Regierungschefs Europas liefern, die in einer knappen Woche zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammenkommen.
Besprechen wollen sie das, was Van Rompuy gemeinsam mit drei weiteren Präsidenten ausgearbeitet hat, mit den Chefs der EU-Kommission, der Eurogruppe sowie der Europäischen Zentralbank (EZB), Jose Manuel Barroso, Jean-Claude Juncker und Mario Draghi. Es sollte ein Fahrplan hin zu einer verstärkten Wirtschaftsunion werden. Doch der Weg erweist sich schon jetzt als äußerst hürdenreich.
In ihrem Papier drängen die vier Präsidenten nämlich auf Vorhaben, die seit Monaten für Zwist unter den Mitgliedstaaten sorgen. So ist von einer "fiskalischen Kapazität" für den Euroraum die Rede, die Grundlage sein könnte für die gemeinsame Ausgabe von Schulden. Das könnte gleich zweifachen Grund zu Unmut geben. Denn hinter der "fiskalischen Kapazität" steckt ein eigenes Budget für die Eurozone, was etlichen Ländern nicht gefällt. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter etwa hat erst vor wenigen Tagen jegliche zusätzliche Kapazität, "die außerhalb der Verträge liegt", abgelehnt.
Der zweite Streitpunkt ist die gemeinsame Ausgabe von Schulden. Zwar schwächen die Autoren ab: Eine automatische Vergemeinschaftung der Schulden via Eurobonds sei nicht gemeint. Doch Deutschland wehrte sich bisher gegen alles, was auch nur in die Nähe rücken könnte. Van Rompuy argumentiert allerdings, dass eine unabhängige, zentrale Instanz den Euroländern bei der Bewältigung wirtschaftlicher Schocks helfen solle.
Umstrittenes Tempo
Überhaupt sei eine größere wirtschaftspolitische Integration nötig. Diese soll nach den Vorschlägen der Präsidenten in drei Phasen erfolgen: in den nächsten Monaten, dann bis zum Jahr 2014 und danach. Zunächst sollen bis zum kommenden Jahr bereits beschlossene Reformen umgesetzt werden. Dazu gehört etwa der Stabilitätspakt, der die Länder zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichtet. Ebenso soll sichergestellt sein, dass Banken direkt Geldspritzen aus dem Euro-Rettungsschirm erhalten können. Dafür sollte innerhalb der nächsten vier Monate ein Rahmenwerk fixiert werden.
Für solch eine Finanzhilfe muss aber eine Voraussetzung erfüllt sein, die derzeit noch umfehdet ist. Vor allem Berlin pocht darauf, dass die direkte Rekapitalisierung der Unternehmen erst möglich wird, wenn es eine funktionierende gemeinsame Aufsicht für die Banken gibt. Wenn es nach Van Rompuy ginge, wäre dies spätestens Anfang 2014 der Fall. Doch schon jetzt zeichnet sich eine Verzögerung ab. Die - ähnlich ambitionierten - Zeitpläne der EU-Kommission haben die Mitgliedstaaten bereits in die Länge gestreckt. Die Bankenaufsicht mit der EZB in der Hauptrolle wird nämlich nicht schon im kommenden Jahr ihre Tätigkeit aufnehmen. Stattdessen sollte zunächst einmal der rechtliche Rahmen für das künftige Kontrollorgan festgelegt werden. Selbst das erweist sich als schwierig. Eine Einigung sollte es zwar beim Gipfeltreffen in der kommenden Woche geben. Doch die mit den Vorarbeiten betrauten Finanzminister der EU konnten sich bisher nicht auf die Grundzüge verständigen. Einen Tag vor der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs haben sie daher noch eine Sondersitzung angesetzt.
Trotz der Mühen bei der Etablierung der Bankenaufsicht drängt Van Rompuy auf weiter Reichendes. So müsste auch ein gemeinsamer Mechanismus zur Abwicklung von Geldinstituten gefunden werden. Diese Aufgabe sollte nämlich - wie die Überwachung - auf eine europäische Ebene gehoben werden.