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Evo Morales siegt bei Referendum

Von WZ-Korrespondentin Susann Kreutzmann

Politik

Klima der Gewalt überschattet Abstimmung. | Reiche Provinzen kämpfen weiter für ihre Unabhängigkeit. | Sao Paulo. Das Volk hat für Evo Morales gestimmt. Boliviens linksgerichteter Präsident hat das Referendum über seine Amtsenthebung am Sonntag Prognosen zufolge mit rund 60 Prozent gewonnen. Damit kann der erste Präsident indianischer Abstammung in dem Andenstaat bis 2011 im Amt bleiben. Morales sprach von einem "historischen Moment" und einer "Stärkung der Demokratie".


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Der Präsident hatte sich mit der Einberufung des Referendums der Opposition gebeugt, die für eine Unabhängigkeit der wohlhabenden und rohstoffreichen Provinzen im Osten des Landes kämpft.

Auch wenn Boliviens Präsident äußerlich gestärkt aus der Befragung hervorgeht, steht der Andenstaat vor einer Zerreißprobe. Die Bewohner von vier Provinzen im rohstoffreichen Tiefland hatten in den vergangenen Wochen für ihre Unabhängigkeit votiert. Sie lehnen die von der Regierung in La Paz beschlossene Umverteilung der Gewinne aus den Bodenschätzen zu Gunsten der armen Provinzen im Hochland ab. In den Tagen vor der Abstimmung gab es im ganzen Land zahlreiche gewaltsame Ausschreitungen, die zwei Tote und dutzende Verletzte forderten.

Die Opposition hat gar zum Hungerstreik aufgerufen. "Wer für Evo stimmt, unterstützt den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez und das Regime in Iran unter Ahmadinejad", verkündete der Führer der Oppositions-Allianz Podemos, Jorge Quiroga. Venezuelas umstrittener Präsident Chavez gilt als enger Verbündeter und finanzieller Unterstützer von Morales.

Die vergleichsweise reichen Provinzen Santa Cruz, Beni, Pando und Tarija sind auch Nahrungsmittelkammer für die anderen Landesteile. Und die Präfekte dieser vier von der Opposition kontrollierten Departements wurden bei einer parallelen Abstimmung mit hoher Zustimmung ebenfalls im Amt bestätigt.

Zustimmung bei Armen

Rund 70 Prozent der Bolivianer sind indianischer Abstammung. Sie leben vor allem in den Armenvierteln der Städte und im kargen Hochland Altiplano. Für sie ist Morales nach wie vor der Hoffnungsträger. Die größte Zustimmung erreichte der Präsident deshalb in der Hauptstadt La Paz sowie in den Industriestädten Potosí und Oruro mit um die 80 Prozent.

Trotz des Wahlerfolgs bewegt sich Morales auf dünnem Eis. Das Referendum wird Analysten zufolge die Probleme des gespaltenen Landes nicht lösen. Im Gegenteil: Sie befürchten eine Zunahme der Gewalt.

Auch viele seiner einstigen Weggefährten haben sich inzwischen von Morales abgewandt. So fordert der mächtige Gewerkschaftsbund die Umsetzung versprochener Reformen wie eine Herabsetzung des Pensionsalters auf 55 Jahre. Und Minenarbeiter blockierten in den vergangenen Tagen wichtige Zufahrtsstraßen und die Flughäfen.

Das Referendum hat die Kluft zwischen Arm und Reich in Bolivien noch verstärkt. Von Versöhnung oder gar einer neuen Einheit ist das ärmste Land Südamerikas weit entfernt.

Wählerlisten mangelhaft

Das Referendum wurde von Beobachtern der Organisation Amerikanischer Staaten verfolgt. Sie stellten keine größeren Betrügereien fest. Doch kam es wohl wegen mangelhafter Wählerlisten zu Unregelmäßigkeiten.

So tauchen in Listen mehrfach die gleichen Personen aus. Rund 25.000 Wähler erhielten von den Behörden gleich mehrere Identifikationsbescheinigungen für die Abstimmung, wie Medien berichteten. In manchen Gegenden hat sich die Anzahl der Wähler seit 2005 überraschenderweise fast verdoppelt. Fehlende oder falsche Statistiken in den örtlichen Behörden sind schuld an dem Durcheinander.

Um Sicherheit für das Referendum zu gewährleisten, musste die Bevölkerung viele Einschränkungen in Kauf nehmen. So waren ab Samstag große Veranstaltungen untersagt, Inlandsflüge wurden gestrichen, Einwohner mussten an ihrem Wohnort bleiben und nur Autos mit einer Extra-Plakette durften fahren.