Kontinente waren auf Kollisionskurs. | Land lockte mit üppiger Pflanzenwelt. | Wien. Es geschah im Zeitalter der Fische. Die Meere, Flüsse und Seen boten einen Lebensraum für sich ständig entwickelnde neue Arten - von denen zumindest eine aber als erste das Wasser verließ, um ein neues Element zu erobern: das Land. Erst in der Vorwoche wurde der bislang älteste Vierbeiner Ventastega curonica im heutigen Lettland gefunden (die "Wiener Zeitung" berichtete).
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Auf der Erde sah es vor 365 Millionen Jahren (Epoche des Ober-Devon) nur annähernd so aus wie heute. Südamerika, Afrika, Indien, Australien und die Ostantarktis waren im Süden zu einem einzigen großen Kontinent verbunden: Gondwana. Im Norden bildeten Nordamerika, große Teile von Grönland und Europa sowie Russland Laurussia. Die Kontinente wirken lediglich im Heute wie eine monströse, unbewegliche und unerschütterliche Masse. Im Zeitraffer betrachtet, waren sie ständig in Bewegung und sind es noch immer. Tatsächlich steuern sie wieder auf einen einzigen, zusammengesetzten Riesenkontinent zu.
Just aus dieser Zeit, in der eine Klimaverschlechterung auf Laurussia, damals am Äquator gelegen, zu einem allgemeinen Massensterben führte, stammt der älteste Vierbeiner. War es eine Flucht nach vorn? Vor 365 Millionen Jahren nämlich starben unzählige Gattungen des Meeres wie Armfüßer (Schalentiere), Ammoniten (Kopffüßer), Schnecken und Trilobiten (Gliederfüßer) aus, Panzerfische und die devonischen Riffe waren ebenfalls betroffen. Auslöser für die Klimaveränderung war vermutlich das stete Schrumpfen des Ozeans zwischen Laurussia und Gondwana gewesen: die beiden Superkontinente befanden sich auf Kollisionskurs.
Ventastega war den Forschern bereits seit längerem bekannt, warum wird er plötzlich zur Sensation? Erst sein jüngster Fund ließ die Rekonstruktion des Schädels zu, wie Wissenschafter in einer im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie berichten. Auch Schulter- und Hüftteile wurden geborgen.
Kopf eines Vierbeiners
Der Aufbau des Kopfes weist eine größere Ähnlichkeit mit den fossilen fischähnlichen Tetrapoden, also Tieren mit vier Gliedmaßen, auf, als mit den tetrapodenähnlichen Fischen. Zu letzteren zählt Tiktaalik roseae, ein Fisch mit krokodilartigem Schädel. Er lebte vor etwa 380 Millionen Jahren im Norden Kanadas, atmete mit Kiemen und verfügte über Flossen, die bereits ähnlich unseren Gliedmaßen aufgebaut waren.
Als ältester fischähnlicher Tetrapode wurde bislang Ichthyostega angesehen, das erste Amphibium (=Lurch), das bereits mit Lungen atmete und über sieben Finger respektive Zehen pro Gliedmaße verfügte. Mit seinen kurzen, stämmigen Beinen schaffte Ichthyostega es, seinen Rumpf über dem Boden zu halten und sich an Land fortzubewegen. Dennoch war er an das Wasser gebunden, legte seinen Laich darin ab und war ein ausgezeichneter Schwimmer. Reste seines Skeletts wurden in einer etwa 360 Millionen alten Fundstelle in Grönland gefunden.
Jetzt nimmt Ventastega curonica seinen bedeutungsträchtigen Platz ein. Als typische Übergangsform besaß der Vierbeiner sowohl Zehen, als auch eine deutliche Schwanzflosse. Die Schnauzenform, die an einen Spaten erinnert, zeichnet Ventastega curonica als eine höher entwickelte Art aus, außerdem besitzt er größere Augen als Tiktaalik, was für Landbewohner typisch ist. Einige andere Schädelmerkmale teilt er wiederum mit dem fossilen Fisch. Allerdings starb Ventastega, genauso wie Ichthyostega, vermutlich vor etwa 354 Millionen Jahren wieder aus - die ersten Dinosaurier sollten erst mehr als 100 Millionen Jahre später erscheinen.
Pflanzen waren schneller
Das Land lockte mit einer üppigen Pflanzenwelt. Sie hatte das Wasser bereits vor etwa 417 Millionen Jahren verlassen, als es außerhalb des Meeres endlich mehr als nur Wüste gab. Im Ober-Devon fand Ventastega baumgroße Bärlappgewächse, Schachtelhalme und Farne vor. Der Wasserspiegel schwankte stark, der Vierbeiner, der kleine Fische fraß, bewegte sich vermutlich in seichtem Brackwasser und inmitten hoher Luftfeuchtigkeit vorwärts.