Politologe beklagt geringe Fluktuation "außer durch Tod". | Zweiparteienlandschaft als einzige Neuerung. | Rom. (ap) Das nächste italienische Parlament besteht wieder aus den üblichen Verdächtigen. Wenn am Sonntag und Montag Abgeordnetenkammer und Senat neu gewählt werden, haben es die Italiener mit altbekannten Kandidaten zu tun. "Es macht mich krank und müde, immer das kleinere Übel wählen zu müssen. Ich will neue Gesichter, neue Leute wählen", sagt der in Italien populäre Blogger Beppe Grillo. Seine Anti-Politik-Bewegung, die er prosaisch "vaffanculo" (Leck mich am Arsch) nennt, bringt Zehntausende auf die Marktplätze.
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Für die Konservativen schickt sich der 71-jährige Medienunternehmer Silvio Berlusconi zum fünften Mal an, Regierungschef zu werden. Für das Mitte-Links-Lager tritt der 52 Jahre alte Walter Veltroni an, der bereits vor über zwei Jahrzehnten erstmals ins Parlament gewählt wurde und seither zahlreiche Ämter innehatte.
Die "Unantastbaren"
An der Kasse der Buchläden fällen die Italiener indes ein klares Urteil: "Die Kaste", eine Abrechnung mit der italienischen Politikerklasse, ist im ganzen Land ein Bestseller. Die "Unantastbaren" halten um jeden Preis an ihrer Macht fest - so die Diagnose von Bestsellerautor Gian Antonio Stella. Sie gründen zum persönlichen Vorteil neue Parteien und fühlen sich strafrechtlich immun, lautet ein gängiger Vorwurf. Grillo fordert daher ein Parlament, in dem kein rechtskräftig verurteilter Abgeordneter sitzen darf. An der Misere seien auch die etablierten Medien schuld. Die staatlichen Medien würden von der Regierung beeinflusst und alle anderen gehörten ohnehin Berlusconi persönlich. Da sei es kaum erstaunlich, dass man immer die gleichen Gesichter in den Nachrichten sehe.
Egal ob Silvio Berlusconi oder Walter Veltroni, es wird in jedem Fall ein Vertreter der "Kaste" an die Macht kommen, weiß man in Italien. "Es gibt kaum Fluktuation, außer durch Tod", sagte James Walston, Politikprofessor an der American University in Rom. Es gelinge den einzelnen Politikern immer wieder, ihre Parteien völlig zu kontrollieren. "Sie treten nicht ab, weil sie verloren oder versagt haben."
Der Christdemokrat Giulio Andreotti beispielsweise war bis 1992 sieben Mal Ministerpräsident, alle Anklagen wegen Verwicklung in Mafiageschäfte überstand er, nun ist der 90-Jährige Senator auf Lebenszeit. Seine Weigerung, die Regierung des scheidenden Ministerpräsidenten Romano Prodi im Senat zu unterstützen, war mit ausschlaggebend für deren Niederlage und das Ausrufen der vorgezogenen Neuwahl.
Berlusconi will immerhin das fünfte Mal Regierungschef werden und auch seine Taktiken, um strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen - bis hin zu Gesetzesänderungen - haben dazu beigetragen, das Vertrauen der Italiener in die Politik erodieren zu lassen.
Stabile Regierung?
Die einzige wirkliche Neuerung des Wahlkampfs scheint eine Zuspitzung zu einer Zweiparteienlandschaft zu sein. Der Kampf zwischen Berlusconis Popolo della Liberta und Veltronis Partito Democratico scheint den kleinen Parteien den Rang abzulaufen. Das könnte eine gute Nachricht für Italien sein. Ein Ende der Zersplitterung des Parlaments könnte eine stabilere Regierungsbildung garantieren.
Im wechselhaften Italien hält Silvio Berlusconi bisher den Ausdauerrekord - er regierte das Land nach der Wahl 2001 fünf Jahre lang. Die schlechte Wirtschaftsentwicklung, lahmende Reformen und so mancher Justizskandal haben seine Regierung jedoch schließlich die Wiederwahl gekostet.
Walter Veltroni hält sich jedoch mit scharfer Kritik zurück. Denn auch er wird ungern an die linke Vorgängerregierung Romano Prodis erinnert, die nicht sehr beliebt ist. So versprechen die alten Gesichter vage einen Neuanfang, reden ein bisschen über Reformen und hoffen auf einen Wahlsieg.