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Ex-Libro-Chef kann sich bei Strafprozess nicht erinnern

Von Franz Steinbauer

Wirtschaft

Rettberg müssen immer wieder E-Mails und Dokumente vorgelegt werden. | "Kenne das nur aus dem Studium der Akten, nicht aus der Sicht von damals." | Wr. Neustadt. Der Strafprozess rund um den Libro-Anlegerskandal zeigt bereits am zweiten Verhandlungstag ein klares Muster: Andre Rettberg, der frühere Chef der 2002 endgültig pleitegegangenen Papier- und Buchhandelskette, hat empfindliche Erinnerungslücken. Start für das mit Hochspannung erwartete Verfahren war der Montag gewesen (17. Jänner 2011). Dem Hauptangeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.


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Immer wieder zeigt Richterin Birgit Borns dem Hauptangeklagten Rettberg Schriftstücke - in der Hoffnung, dass doch etwas Erhellendes kommt. Die Antwort vom ehemaligen "Manager des Jahres" fällt vom einen zum anderen Mal recht eintönig aus: "Ich kenne das nur aus dem Aktenstudium." Aus der Sicht rund um den Börsegang 1999, der in einen Anlegerskandal mündete, kann sich Rettberg "nicht erinnern". Zigtausende Kleininvestoren dafür auch noch zehn Jahre nach der laut Anklagebehörde "frisierten" Bilanz des Jahres 1998/99 wohl umso besser: Die Anleger haben viel Geld verloren, auch der strategische Investor Telekom Austria musste massiv Haare lassen. Dem Staatsanwalt zufolge gingen insgesamt mehr als 160 Millionen Euro den Bach hinunter.

Godzilla-Feuerzeuge nicht korrekt verbucht

Für die Bilanz wären andere zuständig gewesen, rechtfertigt sich der einstige Libro-Chef. Die Bereiche Ein- und Verkauf, Marketing sowie Öffentlichkeitsarbeit hätten zu ihm ressortiert. Trotzdem will er für das Tagesgeschäft der Lagerhaltung nicht zuständig gewesen sein. Warum die sogenannte "Filiale 099" - laut Rettberg ein Lager, in dem Retourware an Lieferanten gebündelt wurde - in der Bilanz zu hoch bewertet war, ist auch für den Hauptbeschuldigten ein Rätsel. Auch zu der von der Richterin nachgefragten Charge Feuerzeuge (1 Million Stück) im Look des Filmmonsters Godzilla, bei denen der Wertansatz nicht korrekt war, kann der Ex-Libro-Chef keine Angaben machen.

Die vom Hauptangeklagten so angesprochene "Frau Rat" fragt, ob sich Rettberg über seine Pflichten im Klaren war: "Hat man Ihnen bei Übernahme des Vorstandsmandats gesagt, wofür Sie Haftungen übernehmen?" Antwort: Ja, das sei ihm erklärt worden. Aber: Er habe gewisse Dinge nicht verstanden, sich diese jedoch von Experten erläutern lassen. Heute sieht es die Verantwortung bei exakt denselben Fachleuten - obwohl er sich "nicht getäuscht" fühle.

Im Nachhinein stellt sich Rettberg insbesondere als "Reiseleiter für die Investmentbanken" und Aktienanalysten dar, denen er " Filialen gezeigt" und die "Internettochter Lion.cc" dargelegt habe. Gemeinsam mit dem Zukunftsforscher Matthias Horx sei die Internet-Strategie erarbeitet worden, so der Ex-Libro-Boss.