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Ex-Ministrant will Premier werden

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Katholische Familie hatte Probleme mit Engagement in der KPI.


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Rom. Seine erste politische Aktion setzte Pier Luigi Bersani, der vermutlich künftige Regierungschef Italiens, bereits im Kindesalter. Weil er missbilligte, wie der Pfarrer die Spenden aus dem Klingelbeutel verteilte, organisierte er einen Streik der Ministranten. Diese Episode erzählte der Pfarrer aus Bersanis Geburtsort Bettola in der Region Emilia-Romagna vor kurzem in der Polit-Talkshow "Porta a Porta" im staatlichen Fernsehsender RAI 1.

Der am 29. September 1951 geborene Sohn eines Mechanikers und Tankwarts stammt aus einer praktizierenden katholischen Familie, die Democrazia Cristiana wählte und über sein frühes Engagement in der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) alles andere als erfreut war. Die Mutter schilderte in der schon erwähnten RAI-Talkshow, wie sie ihren Bruder, einen Missionspriester zu Hilfe rief, um den aus der Reihe tanzenden Sohn zu bekehren.

Mit 15 war der jugendliche Bersani unter den "Engeln aus dem Schlamm" zu finden, die mithalfen, in Florenz die Kunstwerke nach der Jahrhundertüberschwemmung vom 4. November 1966 zu bergen.

Seine Philosophiestudium an der Universität von Bologna schloss der junge Bersani mit einer Dissertation über die Geschichte des Christentums am Beispiel von Papst Gregor dem Großen ab - natürlich mit Vorzug.

Nach einer kurzen Zeit als Lehrer widmete sich Bersani voll der Politik. Der seit 1980 mit der Apothekerin Daniela Ferrari verheiratete Vater von zwei Töchtern startete seine Politkarriere als Gemeinderat in seiner Heimatstadt Bettola und als Abgeordneter im Regionalparlament der Region Emilia Romagna, wo er 1990 Vizepräsident wurde. Von 1993 bis 1996 war Bersani Präsident der Region, dann holte ihn Romano Prodi in sein erstes Kabinett, wo er zuerst das Amt des Ministers für Industrie, Handel und Tourismus bekleidete. 1999 wechselte er ins Verkehrsministerium, wo er bis zum Wahlsieg Berlusconis im Jahr 2001 im Amt blieb.

2004 wurde Bersani ins Europaparlament gewählt, wo er in der Kommission für wirtschaftliche und monetäre Probleme und in der Kommission für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz arbeitete. 2006 holte ihn Romano Prodi als Wirtschaftsminister in sein neues Kabinett, wo er sich als Liberalisierer zugunsten der Verbraucher profilierte.

Als 2007 in Vorwahlen ein Chef für die neue Demokratische Partei (PD), die aus dem Zusammenschluss der aus der KPI hervorgegangenen Linksdemokraten (DS) mit der christdemokratischen Partei Margherita entstanden war, gesucht wurde, trat er aus Loyalität zu Walter Veltroni nicht an, wohl aber zwei Jahre später nach dem Rücktritt Veltronis nach den verlorenen Parlamentswahlen. Seit 7. November 2009 ist Bersani, der als wenig charismatischer, aber pragmatischer Politiker gilt, PD-Parteichef. Im November und Dezember des Vorjahres unterzog er sich Vorwahlen, um seiner Spitzenkandidatur eine demokratische Basis zu verleihen, und blieb in der Stichwahl gegen seinen stärksten Herausforderer, den Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi, erfolgreich.

Als einziger Parteichef verzichtete Bersani bei den Wahlen auf seinen Namen auf dem Parteisymbol. Im politischen Hick-Hack des Wahlkampfes zeigte er Standfestigkeit und lehnte es ab, sich etwa von seinem Verbündeten Nichi Vendola von der linksökologischen Partei SEL zu distanzieren, wie es der scheidende Premier Mario Monti wiederholt gefordert hatte.

Dem populistischen Chef der 5-Sterne-Bewegung Beppe Grillo hielt er im Wahlkampffinale entgegen, dass er nicht wie dieser Millionär sei, sondern aus einer Handwerkerfamilie stamme.